Milliarden-Ausgaben Flüchtlinge stützen die Konjunktur

Berlin · Die Flüchtlingskrise beeinflusst auch die deutsche Wirtschaft – und zwar positiv. Denn Milliarden-Ausgaben von Bund und Ländern steigern die staatliche und die private Nachfrage sowie den Jobaufbau. Das dämpft kurzfristig negative Konjunktureffekte aus dem Ausland. Im September ist die Zahl der Asylbewerber noch einmal massiv gestiegen.

Das ist das Milliarden-Paket der Bundesregierung zur Flüchtlingshilfe
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Foto: dpa, shp

Die Flüchtlingskrise beeinflusst auch die deutsche Wirtschaft — und zwar positiv. Denn Milliarden-Ausgaben von Bund und Ländern steigern die staatliche und die private Nachfrage sowie den Jobaufbau. Das dämpft kurzfristig negative Konjunktureffekte aus dem Ausland. Im September ist die Zahl der Asylbewerber noch einmal massiv gestiegen.

"Kurzfristig wirkt der starke Flüchtlingszuzug wie ein kleines Konjunkturprogramm", sagte der Chef des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther. "Denn der Staat pumpt jetzt viele Milliarden für die Versorgung der Flüchtlinge in die Wirtschaft", erläuterte Hüther: "Diese Ausgaben versickern nicht im Ausland, sondern schaffen im Inland neues Geschäft und neue Arbeitsplätze." Auch Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater erklärte, wegen der Mehrausgaben für Flüchtlinge seien "einige wenige Zehntelpunkte zusätzliches Wachstum" für die Jahre 2015 und 2016 zu erwarten.

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Der unerwartete Konjunkturimpuls durch die Flüchtlingskrise wirkt den Ökonomen zufolge negativen Effekten aus dem Ausland entgegen. Vor allem das schwächere Wachstum in China und anderen Schwellenländern bremse die exportabhängige deutsche Industrie. Insgesamt zeige sich die Konjunktur vor allem wegen der weiterhin starken Inlandsnachfrage robust.

Das sehen auch die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute so, die am heutigen Donnerstag in Berlin ihr Herbstgutachten vorlegen. Nach ihrer Prognose wächst die deutsche Wirtschaft 2015 und 2016 um jeweils 1,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit senken die Institute ihre bisherige Vorhersage für das laufende Jahr um 0,3 Prozentpunkte. Sie begründen das mit dem schwächeren weltwirtschaftlichen Umfeld. Für das kommende Jahr lassen sie ihre vorherige Prognose unverändert.

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Gestützt werde die Konjunktur vom hohen Beschäftigungsstand und dem kräftigen privaten Konsum, so die Institute. Die Zahl der Erwerbstätigen werde im Jahresdurchschnitt 2016 um fast 250.000 auf den Rekordwert von knapp 43,2 Millionen steigen. Wegen der hohen Flüchtlingszahlen werde allerdings die Zahl der Arbeitslosen 2016 erstmals seit Jahren wieder leicht um fast 100.000 steigen.

Zur Bewältigung der Krise sind nach Ansicht der Experten gleichzeitig aber auch Neueinstellungen im öffentlichen Sektor, im Gesundheitssektor, bei privaten Dienstleistern und am Bau zu erwarten. Die Mehrausgaben für Flüchtlinge hätten auch daher "hohe Multiplikatoreffekte", sagte IW-Chef Hüther. Ob die Zuwanderung langfristig ein wirtschaftlicher Erfolg werde, hänge davon ab, ob möglichst viele junge Flüchtlinge eine Stelle bekämen.

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Die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) führt an der Basis ihrer Partei allerdings zu wachsendem Unmut. 34 CDU-Funktionäre aus acht Bundesländern distanzierten sich in einem Schreiben deutlich von Merkel und forderten klare Maßnahmen gegen den Flüchtlingsandrang. "Die gegenwärtig praktizierte 'Politik der offenen Grenzen' entspricht weder dem europäischen oder deutschen Recht noch steht sie im Einklang mit dem Programm der CDU", heißt es in dem Brandbrief. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) drohte zudem mit "Notwehr" des Freistaats, sollte die Bundesregierung weiterhin für keine Begrenzung der Flüchtlingszahlen sorgen. Bayern könne Flüchtlinge auch einfach in den Zug setzen und in andere Bundesländer schicken.

Die Zahl der Einreisen nach Deutschland stieg im September sprunghaft. Nach Angaben des Innenministeriums wurden fast 164.000 Asylsuchende neu registriert — mehr als anderthalb Mal so viele wie im August. Rund 85.500 stammten aus Syrien, 19.000 kamen aus dem Irak, 18.000 aus Afghanistan. Die Zahl der unerledigten Asylanträge wuchs auf mehr als 300.000.

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(mar)
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