Düsseldorf Firmen müssen Betriebsrenten erhöhen

Düsseldorf · Laut Gericht hat ThyssenKrupp seine Arbeitnehmer um viel Geld gebracht. Dabei haben Ruheständler Anspruch auf Inflationsausgleich oder eine regelmäßige Ein-Prozent-Erhöhung. Bayer, Lanxess und Henkel zahlen wie gefordert.

Ein Urteil des Landesarbeitsgerichtes sorgt für Unruhe unter deutschen Personalchefs: In zwei Musterverfahren befanden die Düsseldorfer Richter, dass die Stahl-Tochter von ThyssenKrupp zwei Pensionären die Betriebsrente nachzahlen müsse, wie die "WAZ" berichtete. Grundsätzlich müssen Unternehmen nämlich für einen Inflationsausgleich sorgen. Eine Sprecherin von ThyssenKrupp kündigte an, dass der Konzern gegen das Urteil in Berufung gehen wird. Der Konzern räumt ein, in den Jahren 2012 und 2013 einen Teil seiner Betriebsrenten tatsächlich nicht erhöht zu haben. Das Gesetz erlaube Unternehmen, die Anpassung in wirtschaftlich schwierigen Situationen auszusetzen - das sei im Stahlbereich von Thyssen der Fall gewesen. Aktuell zahlt ThyssenKrupp 127 000 Ex-Mitarbeitern eine Betriebsrente.

ThyssenKrupp ist kein Einzelfall. Der Bundesverband der Betriebsrentner schätzt, dass zwei Drittel der Betriebe die Betriebsrente nicht oder zu wenig erhöhen.

Müssen Unternehmen die Betriebsrente erhöhen? In vielen Fällen ja. Laut Betriebsrenten-Gesetz sind die Unternehmen verpflichtet, alle drei Jahre eine mögliche Anpassung der Betriebsrenten zu prüfen. Diese Prüfpflicht gilt zum Beispiel für Direktzusagen. Laut Rechtsprechung muss die Betriebsrente so erhöht werden, dass ein Inflationsausgleich stattfindet.

So hat der Bayer-Konzern zum 1. Januar 2015 die Betriebsrenten der früheren Mitarbeiter, die einen alten Vertrag haben, um 4,59 Prozent erhöht, um die Preissteigerung der vergangenen drei Jahre auszugleichen. Ähnlich verfährt Lanxess mit seinen 3000 und Henkel mit seinen 13 000 Betriebsrentnern.

Wer das Gefühl hat, sein alter Arbeitgeber habe die Erhöhung "vergessen", sollte nachbohren. Oft reicht nach Erfahrung von Arbeitsrechtlern schon ein Brief an die Personalabteilung. Manchmal ist es auch nötig, einen Anwalt mit dem Schreiben des Briefes zu beauftragen, um Druck auszuüben. Allerdings gibt es auch viele Ausnahmen, die es Betrieben erlauben, vom Inflationsausgleich abzusehen.

Welche Ausnahmen gibt es?

Die Erhöhung kann ausfallen, wenn das Unternehmen in wirtschaftlicher Not ist. "Dazu muss es nicht pleite sein, sondern kann einfach in Schwierigkeiten stecken", sagt Klaus Stiefermann von der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung. Rote Zahlen können schon reichen.

Seit einiger Zeit dürfen es sich die Arbeitgeber zudem einfacher machen. Statt alle drei Jahre zu prüfen und entsprechend anzupassen, dürfen sie die Betriebsrenten auch pauschal jedes Jahr um ein Prozent erhöhen. Diese Regel wendet Bayer für alle "Neuzusagen" (ab dem Jahr 2000) an und erhöht die Betriebsrente jährlich um ein Prozent.

Auch die Lufthansa wendet gemäß einer Vereinbarung der Tarifpartner die Ein-Prozent-Regel an. Aktuell beziehen 17 000 Lufthansa-Mitarbeiter eine Betriebsrente. Der Konkurrent Air Berlin zahlt dagegen keine Betriebsrente.

"Die Ein-Prozent-Regel gilt dann in guten wie in schlechten Zeiten", sagt Klaus Stiefermann. In Zeiten niedriger Inflation wie derzeit ist eine solche Regelung zum Vorteil für die Arbeitnehmer.

Was gilt für Direktversicherungen? Der Inflationsausgleich entfällt auch, wenn der Arbeitgeber eine Lebensversicherung (Direktversicherung) für den Arbeitnehmer abgeschlossen hat oder in eine Pensionskasse einzahlt, die ihre Überschüsse später direkt an den Betriebsrentner auszahlen. Mit der Überlassung dieser Ansprüche hat der Arbeitgeber seine Schuldigkeit getan und muss nicht einmal eine Prüfung des Inflationsausgleichs vornehmen.

Sind Betriebsrenten vor der Pleite geschützt? Ja. Wenn Firmen Direktzusagen machen oder in Pensionsfonds einzahlen, sind sie meist Mitglied im Pensionssicherungsverein (PSV), der bei einer Pleite einspringt. Der PSV zahlt derzeit für 528 000 Rentner, und zwar 77 Millionen Euro im Monat. Darunter sind Ruheständler aus den großen Pleiten der Republik wie AEG, Arcandor, Babcock. Die PSV-Kasse ist gut gefüllt. Jedes Jahr wird der Beitrag angepasst. Derzeit liegt er bei 1,3 Promille der Pensionsrückstellungen. Im Jahr nach der Lehman-Pleite waren es dagegen 14,2 Promille.

(RP)
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