Bundesbank Weidmann: Niedrigzinsen schaden auf Dauer

Düsseldorf · Der Bundesbank-Präsident fordert die Politik im Industrieclub Düsseldorf auf, mehr für die Digitalisierung zu tun. Und er warnt vor einer Überreizung der lockeren Geldpolitik.

Jens Weidmann im Industrie-Club.

Jens Weidmann im Industrie-Club.

Foto: Anne Orthen (ort)

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann sieht in Zeiten fortschreitender Digitalisierung in Deutschland noch Nachholbedarf an manchen Stellen. Damit die aus der Digitalisierung entstehenden Chancen genutzt werden könnten, müsse die Politik heute die Weichen richtig stellen, sagte Weidmann am Donnerstagabend im Düsseldorfer Industrieclub. Dazu gehöre der rasche Ausbau des Glasfasernetzes, der derzeit nur schleppend vorankomme. Mitte des vergangenen Jahres habe der Anteil von Glasfaserverbindungen an allen stationären Breitbandanschlüssen in Korea bei fast 80 Prozent, in Spanien bei gut 50, in Deutschland dagegen nur bei 2,5 Prozent gelegen.

Auch an anderer Stelle sehe Deutschland im internationalen Vergleich nicht gut aus, kritisierte der Bundesbank-Präsident. Die bürokratischen Hürden bei der Firmengründung seien relativ hoch. „Bei diesem Thema steht Deutschland im aktuellen Doing-Business-Report der Weltbank auf Platz 114 – und landet damit hinter Mali, den Bahamas und Nepal“, so der drastische Vergleich Weidmanns. Hierzulande seien neun Verfahrensschritte erforderlich, um ein Unternehmen zu gründen, in Neuseeland sei dies in einem Verwaltungsakt möglich. Weidmann begrüßte zudem die geplante Änderung der Forschungsförderung und regte eine Rückkehrzur degressiven Abschreibung an – als Wettbewerbsagument für den Standort Deutschland.

Solche Veränderungen durch die Politik könnten die Geldpolitik entlasten, meint Weidmann. Deren außergewöhnlich expansive Ausrichtung könne kein Dauerzustand sein, so Weidmann. Akteure an den Märkten neigten in Niedrigzinsphasen dazu, auf der Suche nach mehr Rendite höhere Risiken einzugehen. Dies könne zu überhöhten Bewertungen und danach zu drastischen Preiskorrekturen führen. Außerdem könnten durch niedrige Zinsen unrentable Unternehmen über Wasser gehalten werden. Damit würden „wertvolle Ressourcen in unproduktiven Verwendungen feststecken“.

Am Mittwoch hat für Weidmann seine zweite Amtsperiode als Bundesbank-Präsident begonnen. Er könnte bis April 2027 im Amt bleiben – falls er nicht doch noch die Nachfolge von Mario Draghi als Präsident der Europäischen Zentralbank antritt. Als Favorit für den Posten gilt aber der finnische Zentralbank-Präsident Erkki Liikanen.

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