Schuldenkrise in Europa Warum China seine Hilfe anbietet

Brüssel (RP). Wen Jiabao inszeniert sich in diesen Tagen gerne als Retter in der Not. Sein Land wolle "eine helfende Hand ausstrecken" und mehr in den europäischen Ländern investieren, will Chinas Ministerpräsident EU-Kommissionschef José Manuel Barroso angeboten haben. Um eine karitative Tat handelt es sich dabei freilich nicht.

 Der chinesische Premier Wen Jiabao inszeniert sich in der europäischen Schuldenkrise als Retter.

Der chinesische Premier Wen Jiabao inszeniert sich in der europäischen Schuldenkrise als Retter.

Foto: epa, dpa

China geht es um den Schutz eigener Investitionen, Wirtschaftsinteressen und die Ausweitung seiner globalen Machtposition. Entsprechend groß ist die Furcht der Europäer vor den möglichen Folgen einer größeren Abhängigkeit von einem Regime, das Menschenrechte mit Füßen tritt. China übernehme mit dem Kauf von Staatsanleihen die EU, und die Europäer verkauften ihre Seele, warnte Deutschlands höchster Vertreter in der EU-Regierungszentrale jüngst in kleiner Runde.

Die Zahlen sprechen für sich: Mit rund 2,35 Billionen Euro besitzt die Volksrepublik die mit Abstand größten Devisenreserven der Welt. Experten schätzen, dass zwei Drittel in Dollar-Anlagen und ein Viertel in Euro-Papieren stecken.

Direkt die Hand in Unternehmen

In Italien soll Peking in Höhe von etwa vier Prozent der Gesamtschulden engagiert sein, das wären etwa 76 Milliarden Euro. In Spanien, Portugal und Griechenland liegen die Beträge jeweils im einstelligen Milliardenbereich.

Doch China kauft nicht nur Wertpapiere auf. In Griechenland etwa kontrolliert der chinesische Logistikkonzern Cosco die größten Containerterminals im Hafen von Piräus. Auch Rom verhandelt mit dem chinesischen Staatsfonds (CIC) über Investitionen in italienische Unternehmen.

Es geht um Mitsprache und Märkte

Die EU ist der wichtigste Handelspartner des Exportweltmeisters. Die 27 Mitgliedsländer kauften 2010 chinesische Waren im Wert von 282 Milliarden Euro. Die Exporte nach Europa sind ein Eckpfeiler des chinesischen Wachstums. Nach einem Plus von 10,4 Prozent im vergangenen Jahr erwarten Experten 2011 noch rund neun Prozent.

Peking hat deshalb ein großes Interesse an stabilen Verhältnissen. Und an einem verbessertem Marktzugang. Die EU solle China offiziell als Marktwirtschaft anerkennen, forderte Wen Jiabao ziemlich unverhohlen als Gegenleistung für die finanzielle Hilfe. Dieser Status würde China künftig unter anderem vor Anti-Dumping-Klagen schützen.

Amnesty beunruhigt

"China kann sich nicht isoliert vom Rest der Welt entwickeln, und die Welt braucht auch China für seine Entwicklung", sagte Wen Jiabao am Mittwoch auf einem Wirtschaftsforum im nordostchinesischen Dalian. Viele empfinden das eher als Drohung denn als Beruhigung.

So befürchtet Amnesty International (AI), dass Menschenrechtsfragen künftig in den Hintergrund gedrückt werden könnten. "Es ist zu befürchten, dass Kritik an den Menschenrechten in Zukunft noch leiser geübt wird", sagt AI-China-Experte Dirk Pleiter. "Geraten einzelne EU-Länder in Abhängigkeit von China, wird es schwerer, in der EU eine einheitliche Linie gegenüber der Volksrepublik zu formulieren, Probleme klar anzusprechen und Konflikte auszutragen."

(RP)
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