Abgabenlast stieg wie seit 17 Jahren nicht mehr Staat kassiert ständig mehr

Berlin · Arbeitnehmer zahlten 2011 im Schnitt fast 10.000 Euro an Lohnsteuer und Sozialabgaben. Die Abgabenlast stieg so stark wie seit 17 Jahren nicht mehr. Schuld sind höhere Löhne und Beitragssätze.

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Foto: ddp

Auf den ersten Blick wirken diese Daten des Statistischen Bundesamtes alarmierend: Die Arbeitnehmer in Deutschland zahlten im vergangenen Jahr durchschnittlich 9943 Euro an den Fiskus und die Sozialversicherungen. Die Summe aus Lohnsteuer und Sozialabgaben stieg um 5,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr — und damit so stark wie seit 17 Jahren nicht mehr. Nur 1992 nahm die Abgabenlast infolge der Kosten der deutschen Einheit schneller zu.

Auf den zweiten Blick allerdings wirken die Daten schon etwas weniger dramatisch. Denn auch die Bruttoverdienste stiegen 2011 im Schnitt um 945 Euro gegenüber dem Vorjahr und damit ebenfalls so stark wie seit 17 Jahren nicht mehr. "Wer mehr verdient, muss auch mehr Steuern und Sozialabgaben zahlen", schlussfolgert Ralph Bruegelmann, Finanzexperte am industrienahen Kölner Institut der deutschen Wirtschaft.

Netto erst seit dem jüngsten Aufschwung mehr

Trotzdem besteht Anlass zur Klage über die Abgabenlast: Trotz einiger Steuersenkungen nimmt Deutschland bei der Abgabenlast international weiterhin einen Spitzenplatz ein. Das liege weniger an der Steuerlast als an den recht hohen Beiträgen für die Arbeitslosen-, Kranken-, Renten- und Pflege-Versicherung, so die Industrieländerorganisation OECD.

Berücksichtigt man die Preisentwicklung der vergangenen Jahre, so ist es auch mit den Nettorealverdiensten nicht weit her: In den meisten Jahren seit 1992 stiegen sie kaum, zwischen 2002 und 2009 sanken sie sogar. Erst der jüngste Aufschwung ließ auch die Nettoverdienste wieder ansteigen — um 3,6 Prozent 2010 und 2,2 Prozent 2011, wie die Daten des Bundesamtes deutlich machen.

Höhere Sozialversicherungsbeiträge

Deutlicher als der Anstieg der Nettorealverdienste fiel im vergangenen Jahr aber der Zuwachs bei Steuern und Abgaben aus. Arbeitnehmer mussten 2011 mehr für die gesetzliche Krankenversicherung und die Arbeitslosenversicherung bezahlen als im Jahr zuvor.

Der Beitragssatz zur Krankenversicherung stieg von 14,9 auf 15,5 Prozent der monatlichen Bruttogehälter, der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von 2,8 auf 3,0 Prozent. Arbeitgeber und Arbeitnehmer teilen sich diese Kosten, die Arbeitnehmer allein mussten 0,4 Prozentpunkte Beitragsanstieg bezahlen.

Hinzu kommt die kalte Progression

In diesem Jahr wurde der Beitrag zur Rentenversicherung um 0,3 Punkte auf 19,6 Prozent gesenkt, was die Arbeitnehmer geringfügig entlastet hat. 2013 stehe eine weitere "merkliche" Rentenbeitragssenkung an, wie es im Haus von Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) hieß. Im Gespräch ist eine Senkung auf 19,1 Prozent, doch entschieden wird darüber erst im Herbst.

Stark gestiegen ist 2011 auch die Lohnsteuer: Im Schnitt zahlten Arbeitnehmer 4651 Euro an den Fiskus. Die wachsende Steuerbelastung ist eine Folge der Lohnsteigerungen: Wer mehr verdient, rutscht wegen des sogenannten progressiven Einkommensteuertarifs automatisch in eine höhere Belastungsstufe. Von jedem zusätzlich verdienten Euro wird so ein immer höherer Teil wieder abgezogen. Diese "kalte Progression" oder "heimliche Steuererhöhung" sorgt seit Jahren für Unmut bei den Steuerzahlern.

Regierung schmiedet Pläne

Union und FDP haben mittlerweile reagiert: Die Koalitionsparteien wollen die Steuerzahler im Wahljahr 2013 und im Folgejahr 2014 um jeweils sechs Milliarden Euro entlasten, um die unerwünschten Effekte der kalten Progression zu mildern. SPD und Grüne machen der Koalition bislang noch einen Strich durch die Rechnung: Sie wollen das Koalitionspaket im Bundesrat als sozial unausgewogen und unfinanzierbar ablehnen. Mal sehen, ob es dabei bleibt.

(RP/jh-/pst)
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