TK-Chef Jens Baas im Interview "Private Kassen bleiben nicht bestehen"

Berlin · Der Chef der Techniker Krankenkasse sieht die privaten Wettbewerber künftig nur noch als Zusatzkassen. Deren Versicherte würden im Alter viel zu hohe Beiträge zahlen müssen. Baas befürwortet im Gespräch mit unserer Redaktion höhere Honorare der Kassen für die Ärzte.

Rechte und Pflichten der Privatversicherten
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Foto: ddp

Hat die Ankündigung, dass Sie künftig Prämien ausschütten werden, zu einem deutlichen Mitgliederzuwachs bei Ihnen geführt?

Baas Ja, aber der Grund für die Prämienausschüttung ist nicht das Werben um Mitglieder, sondern die Höhe unserer Rücklagen. Dennoch haben wir uns das Ziel gesetzt, weiter zu wachsen. Wir sind im vergangenen Jahr netto um fast 300 000 Versicherte gewachsen. Das war eines der erfolgreichsten Jahre, die wir je hatten. Diese Zielmarke haben wir uns auch für 2013 gesetzt.

Zu der Prämienausschüttung sind Sie ab einer gewissen Rücklage per Gesetz verpflichtet. Ist das sinnvoll?

Baas In der aktuellen Ausgestaltung ist das System von Zusatzbeiträgen und Prämien nicht sinnvoll. Krankenkassen, die einen Zusatzbeitrag nehmen müssen, werden durch hohen Mitgliederschwund zu sehr bestraft. Kassen wie wir, die gute Rücklagen gebildet haben, müssen Geld ausschütten. Die Kassen sollten ihren Beitragssatz besser selbst festlegen können.

Angesichts der Milliardenüberschüsse im Gesundheitssystem wachsen die Begehrlichkeiten. Wofür sollten die Kassen sinnvollerweise mehr Geld ausgeben?

Baas Es wäre sinnvoll, das Geld zu sparen, bis wir es brauchen. Bis zum gesetzlich erlaubten Maximum tun wir dies.

Sollte die Höhe der Rücklage, die Kassen bilden, ausgeweitet werden?

Baas Die Rücklagen der Kassen sollten gar nicht nach oben begrenzt werden. Es spricht nichts dagegen, dass die Kasse für ihre Versicherten Geld zurücklegt. Umso länger kann der Preis auch in schwierigen Zeiten stabil gehalten werden.

Wird das geplante Präventionsgesetz eine bessere Gesundheitsvorsorge der Versicherten bringen?

Baas Gut, dass mehr in Prävention investiert werden soll. Es ist aber verfehlt, den Kassen Geld zu entziehen und es an die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung weiterzureichen.

Die Krankenkassen werden dafür kritisiert, dass sie nur die Yoga-Kurse für diejenigen zahlen, die ohnehin gesundheitsbewusst leben. . .

Baas Der Vorwurf ist falsch. Wir nehmen die gesellschaftliche Verantwortung der Prävention wahr und gehen bewusst in die Lebenswelten der Menschen, zum Beispiel Kitas, Schulen, Betriebe und Kommunen. Aber es kann nicht sein, dass unter dem Deckmantel der Prävention Kassengelder umverteilt werden. Diese Art der Gesundheitsvorsorge muss aus Steuermitteln finanziert werden.

Wird es auf dem Krankenkassenmarkt noch weitere Fusionen geben?

Baas Ja. Am Ende werden rund 50 Kassen übrig bleiben. Zunächst gibt es weitere Fusionen bei kleineren Kassen. Anbieter mit weniger Mitgliedern als wir Mitarbeiter haben, können nicht gestalten.

Wird die Private als Vollversicherung künftig bestehen bleiben?

Baas Die private Krankenversicherung wird in ihrer heutigen Form nicht bestehen bleiben. Für die Versicherten selbst entstehen die Probleme im Alter, wenn die Prämien sehr stark steigen und Versicherte sie sich nicht mehr leisten können.

Was ist die Alternative?

Baas Man muss die private Gesundheitsversicherung nicht abschaffen. Sie kann und sollte als Zusatzversicherung bestehen bleiben, dann sind auch interessante Kooperationsmodelle mit der gesetzlichen Krankenversicherung möglich. Was nicht geht, ist, die PKV mit Privilegien zwanghaft am Leben zu halten.

Die PKV verweist nicht zu Unrecht darauf, dass sie mit ihren hohen Leistungen das System insgesamt stützt.

Baas Eine Reform des Systems, durch die die PKV als Vollversicherung ausläuft, muss zwingend mit einer Reform der Arzthonorare verbunden werden. Für mich ist klar: Ohne private Krankenversicherung werden die gesetzlichen Krankenversicherungen mehr bezahlen müssen, aber auch eine breitere Finanzierungsbasis erhalten. Mit einer Honorarreform könnte man berechtigte Forderungen der Ärzteschaft wie finanzielle Planungssicherheit erfüllen und gewünschte Verteilungseffekte hin zu den Ärzten auf dem Land erzielen.

Kritiker warnen, dass eine Abschaffung der PKV die Zwei-Klassen-Medizin erst recht verstärkt.

Baas Die gesetzlichen Kassen müssen natürlich weiterhin eine sehr gute Versorgung auf dem neuesten Stand der Wissenschaft bieten, dafür muss Wettbewerb untereinander sorgen. Wer aber reine Komfortleistungen wie etwa ein besonderes Zimmer möchte, der sollte dann eine Zusatzversicherung abschließen oder es privat bezahlen.

Eva Quadbeck führte das Gespräch

(qua)
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