Griechenland wird Hälfte seiner Schulden los Papandreou: "Neustart" für Griechenland

Brüssel (RPO). Nach Verhandlungen bis in die frühen Morgenstunden ist beim Euro-Krisengipfel in Brüssel ein Durchbruch gelungen. Die Staats- und Regierungschefs der Währungsunion einigten sich mit den Banken am Donnerstagmorgen darauf, Griechenland rund die Hälfte seiner Schulden zu erlassen. Der griechische Ministerpräsident bezeichnete die Entscheidung als "neue Ära" für sein Land.

Schuldenschnitt für Griechenland: Die Nacht der Entscheidung
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In die Gipfelerklärung wurde das Ziel festgeschrieben, dass die Schuldenlast Athens bis 2020 auf erträgliche 120 Prozent der Wirtschaftskraft zurückgefahren wird. Dazu steuert der Privatsektor 100 Milliarden Euro bei, und die Europartner und der Internationale Währungsfonds weitere 130 Milliarden Euro.

Zudem einigten sich die Staatenlenker auf zwei Hebel für den Rettungsfonds EFSF und auf eine Rekapitalisierung aller wichtigen Banken bis zum Juni kommenden Jahres. Mit dem Gesamtpaket soll die Schuldenkrise endlich eingedämmt werden.

"Die Welt hat heute auf uns geschaut, und wir haben gezeigt, dass wir die richtigen Schlüsse gezogen haben", sagte eine sichtlich erleichterte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der scheidende Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, sagte nach seiner vermutlich letzten Krisensitzung in Brüssel: "Es ist gut, dass die Entscheidungen gefallen sind. Vor der Umsetzung liegt aber noch harte Arbeit".

Papandreou: "Neustart" für Griechenland

Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou hat die Einigung über einen Schuldenschnitt für sein Land begrüßt. Nun beginne "eine neue Ära, ein neues Kapitel", sagte Papandreou am Donnerstagmorgen. "Das wird ein Neustart für uns. Aber die Arbeit muss weitergehen", fügte er hinzu.

Auch die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, äußerte sich zufrieden über die "substanziellen Fortschritte" beim Brüsseler Gipfel. Sie werde nun dem Direktorium des IWF die Freigabe der nächsten Hilfszahlung für Griechenland empfehlen. Zu der Überweisung in Höhe von acht Milliarden Euro steuert der IWF rund 2,2 Milliarden Euro bei. Ohne das Geld droht Griechenland im kommenden Monat die Staatspleite. Lagarde betonte zugleich, die Umsetzung der von Athen zugesagten Wirtschaftsreformen bleibe "ausschlaggebend".

Anleihentausch im Januar

Der Deal mit den Banken ist kompliziert: Sie erklärten sich zu einem Forderungsverzicht von 50 Prozent auf ihre Griechenland-Papiere bereit. Das entspricht einem Wert von rund 100 Milliarden Euro, sagte Merkel. Allerdings garnieren Europartner und IWF dem Privatsektor den Haircut mit Garantien von 30 Milliarden Euro.

Zusätzlich gewähren sie den Hellenen 100 Milliarden Euro an Notkrediten bis zum Jahr 2014. Das Geld zum Auffangen der griechischen Banken ist dazugezählt. Die Einzelheiten für das neue Rettungsprogramm sollen bis Ende des Jahres ausgearbeitet werden, damit die Anleihen im Januar in neue Papiere des Rettungsfonds EFSF mit einem Abschlag von 50 Prozent umgetauscht werden.

Der griechische Regierungschef Giorgos Papandreou zeigte sich zuversichtlich: "Wir müssen die Belastung durch unsere Vergangenheit loswerden und in eine neue Ära für unser Land starten", sagte er. Auch der Internationale Bankenverband (IIF) begrüßte "die Ankündigung der Euro-Gruppe, dass sie Europa stabilisieren, das europäische Bankensystem stärken und Griechenlands Reformanstrengungen unterstützen". Mit allen Beteiligten würden nun Gespräche zur Umsetzung geführt, sagte Geschäftsführer Charles Dallara.

Sarkozy setzt auf Hilfe aus Asien

Vor dem Griechenland-Deal hatte sich die Eurozone bereits auf einen Hebel für den Rettungsfonds EFSF geeinigt. Er soll künftig neue Staatsanleihen absichern. Dadurch soll die "Feuerkraft" des Fonds auf mehr als eine Billion Euro gepuscht werden, hieß es in Diplomatenkreisen. In der Gipfelerklärung wurde indes noch keine Zahl genannt.

Zudem wird der EFSF um einen neuen Fonds für Auslandsinvestitionen erweitert. Der französische Staatschef Nicolas Sarkozy will bereits am Donnerstag mit seinem chinesischen Kollegen Hu Jintao sprechen, um ihn für Investitionen in den EFSF-Topf zu gewinnen. Und EFSF-Chef Klaus Regling bricht Ende der Woche nach Asien auf, um Beiträge einzusammeln.

Zum Gesamtpaket gehört zudem die Rekapitalisierung aller systemrelevanten Banken in Europa. Sie sollen bis Ende Juni kommenden Jahres ihre Kernkapitalquote auf neun Prozent hochfahren. Zunächst am freien Markt. Gelingt dies nicht, mit Liquiditätsspritzen der Regierungen. Und als letzten Ausweg über Kredite des EFSF.

Banken brauchen 106 Milliarden Euro

Die Europäische Bankenaufsicht ermittelte einen Finanzierungsbedarf von 106 Milliarden für alle europäischen Banken. Davon 30 Milliarden Euro für griechische Geldhäuser, 26,16 Milliarden Euro für spanische Institute, und für italienische 14,77 Milliarden Euro. In Deutschland fehlen den EBA-Berechnungen zufolge 5,184 Milliarden Euro, um die Quote von neun Prozent zu erreichen. In Delegationskreisen hieß es, fast alle Banken könnten sich selbst am Markt mit dem notwendigen Kapital versorgen. Zur Not will die Bundesregierung ihren Sicherungsfonds Soffin reaktivieren. In der Zeit, bis die Banken die notwendige Quote von neun Prozent erreicht haben, sollen sie keine Boni und keine Dividenden auszahlen.

Als weiteres wichtiges Ziel vereinbarten die Europartner, dass sie Schuldenbremsen einführen. Zuletzt sagten Spanien und Italien in Brüssel weitere Maßnahmen zu, um ihre Schuldenprobleme zu lösen und ihre Wirtschaften auf Vordermann zu bringen. Sie sei "sehr zufrieden mit den Ergebnissen", sagte Merkel. Sie glaube, "dass wir den Erwartungen gerecht werden und das Richtige getan haben."

Asiatische Börsen reagieren positiv

Die asiatischen Börsen haben am Donnerstag mit steigenden Kursen auf die Einigung in Brüssel reagiert. Der japanische Nikkei stieg im frühen Handel um 0,5 Prozent auf 8.795,28 Punkte. Der südkoreanische Kospi-Index legte um ein Prozent auf 1.913,07 Zähler zu. Der Hongkonger Index Hang Seng stieg um 1,1 Prozent auf 19.273,66 Punkte.

Experten mahnten vor zu großer Euphorie. "Die Blaupause liegt nun vor, aber es kommt alles nur kleckerweise zum Vorschein und nicht so klar, wie wir es uns erhofft haben", sagte Analyst Jonathan Barratt von Commodity Broking Services. "Aber es ist ein Schritt vorwärts und jeder Schritt hält den Optimismus aufrecht. Allerdings ist die Aufgabe zu groß, um eine Ende abzusehen, und sollte es zu Verzögerungen kommen, könnte der Markt rasch seine Zuversicht wieder verlieren."

(dapd/RTR/AFP/jre)
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