Fragen und Antworten Rettet die EZB Krisenstaaten auf Kosten der deutschen Sparer?

Frankfurt · Die deutschen Sparer ärgern sich schon länger über mickrige Zinsen. Der Frust dürfte noch zunehmen, denn die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Leitzins weiter gesenkt. Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um die EZB und ihre geldpolitischen Pläne.

Das sind die Instrumente der EZB
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Die Europäische Zentralbank (EZB) versucht mit einer historischen Zinssenkung eine drohende Deflation zu verhindern. Damit die Euro-Länder nicht wie zuletzt Japan in eine ruinöse Spirale sinkender Preise, fallenden Konsums und rückläufiger Investitionen rutscht, kappten die Frankfurter Notenbanker am Donnerstag ihren Leitzins auf rekordniedrige 0,15 Prozent.

Sie machen Geld damit so billig wie nie und wollen so die Konjunktur anschieben. Um die Kreditklemme in vielen Krisenländern im Süden der Währungsunion aufzubrechen, erhebt die EZB künftig zudem einen Strafzins von 0,10 Prozent von Banken, die Geld lieber bei ihr parken als es an Firmen und Haushalte weiterzugeben. Dafür senkte sie den Einlagesatz, den Banken bekommen, wenn sie Geld bei der Zentralbank anlegen, erstmals unter die Nulllinie.

Warum senkt die EZB die Zinsen noch weiter?

EZB-Präsident Mario Draghi warnt seit Monaten vor den Gefahren der Mini-Inflation für die Konjunktur im Euroraum. Er sieht zwar aktuell keine Deflation — also eine Spirale sinkender Preise durch alle Warengruppen, bei der Verbraucher und Unternehmen in Erwartung weiter sinkender Preise Ausgaben zurückstellen und so die Konjunktur abwürgen könnten. Doch Draghi betonte mehrfach: Die Gefahren nehmen zu, je länger die Inflation niedrig bleibt. Eine Zinssenkung könnte das Risiko verkleinern, denn tendenziell verbilligen niedrige Zinsen Kredite und Investitionen und kurbeln so die Wirtschaft an. Das wiederum stärkt normalerweise den Preisauftrieb.

Das ist Mario Draghi
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Was bedeutet die Entscheidung für den deutschen Sparer

Niedrige Zinsen werden in der Regel relativ schnell an Kunden weitergereicht. Da Sparer ohnehin schon lange unter Mini-Zinsen auf Sparbuch oder Tagesgeldkonto leiden, hagelt es aus Deutschland Kritik: "Niedrigzinsen enteignen Sparer und reißen Lücken in die Altersvorsorge künftiger Rentner", wettern Sparkassen, Volksbanken und Versicherer.

Rettet die EZB also Krisenstaaten auf Kosten deutscher Sparer?

Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), hatte die EZB schon im Vorfeld für die erwartetet Zinssenkung in der "Bild"-Zeitung kritisiert: "Sie plündert die Ersparnisse aus, sie bedroht die Lebensversicherung." Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding verteidigt, Aufgabe der Notenbank sei, für stabile Preise zu sorgen: "Zu behaupten, die EZB enteigne die europäischen Sparer, verkennt das Mandat der EZB. Ihre Aufgabe ist es nicht, Sparern selbst in Zeiten einer Finanzkrise einen gewünschten Ertrag auf risikoarme Anlagen zu sichern." Mit europäischen Aktien, spanischen Rententiteln oder guten Unternehmensanleihen hätten Sparer auch in der Krise auskömmliche Renditen erzielen können — wenn sie bereit waren, Risiken in Kauf zu nehmen.

Haben Verbraucher auch Vorteile?

Wie Unternehmen profitieren sie von günstigen Kreditzinsen — wenn die Banken die Senkung weiterreichen. Prinzipiell ist billiges Geld gut für Schuldner: Verbraucher können eine Waschmaschine, ein Auto oder ein Haus günstiger finanzieren, gleiches gilt für Investitionen von Unternehmen und Staatsschulden. Letzteres entlastet indirekt auch Steuerzahler. Auch sorgen niedrige Zinsen bei Häuslebauern für massive Entlastungen. Kredite an Unternehmen werden tendenziell ebenfalls billiger. Sie können mehr investieren und im Idealfall neue Arbeitsplätze schaffen.

Warum warnen Finanzexperten vor einer erneuten Zinssenkung?

Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Georg Fahrenschon hält die Geldpolitik der EZB für einen "ganz gefährlichen Weg". "Wir entwerten die Vermögen der Menschen in Europa mit diesem niedrigen Zins. Ds hilft niemandem", sagte er im ARD-"Morgenmagazin". Der Chef der staatlichen KfW-Förderbank, Ulrich Schröder hält eine weitere Zinssenkung ebenfalls für bedenklich. Die Niedrigzinspolitik sei schon jetzt hochriskant und begünstige Preisblasen. Und der Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes HDE, Stefan Genth geht nicht davon aus, dass niedrigere Zinsen die Kaufbereitschaft der Verbraucher erhöhen.

Die Zinsen sind bereits extrem niedrig. Ist die Wirkung verpufft?

Bisher haben sich die Hoffnungen auf eine Rückkehr der Inflation in Richtung der EZB-Zielmarke von knapp unter 2,0 Prozent zerschlagen. Im Mai ging die Rate im Euroraum sogar auf 0,5 Prozent zurück. Selbst in Deutschland, wo der Konjunkturmotor brummt und Löhne steigen, sank die Teuerung nach europäischer Berechnung im Mai auf 0,6 Prozent. "Der Sicherheitsabstand zur Nulllinie im Euroraum ist damit wieder sehr gering", warnt Ökonom Johannes Mayr von der BayernLB.

Warum ist die Inflation trotz der Mini-Zinsen so niedrig?

Das liegt unter anderem an weltweit sinkenden Energie- und Nahrungsmittelpreisen. Dieser Effekt wird durch den relativ starken Euro noch verstärkt. Zum Teil ist der geringe Preisauftrieb aber auch hausgemacht: Die Krisenländer im Euroraum müssen ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken, indem sie Preise senken.

Was sollen Strafzinsen für Banken bezwecken?

Normalerweise bekommen Banken, die Geld bei der Zentralbank parken, einen Zins gutgeschrieben. In der Krise senkten die Währungshüter diesen Einlagenzins auf null Prozent. Drücken sie ihn nun unter Null, würde die EZB den Banken de facto einen Strafzins aufbrummen, wenn diese Geld bei ihr horten. Ziel ist eine Schwächung des Euro, um so einen Anstieg der Inflationsrate zu erreichen. Banken sollen überschüssige Liquidität nicht bei der Zentralbank parken, sondern das Geld in Form von Krediten an Verbraucher und Unternehmen weiterreichen. Diese könnten investieren und so der Konjunktur auf die Sprünge helfen. Manche Volkswirte meinen allerdings, Banken könnten die Kosten auf ihre Kunden abwälzen. Dann wäre diese EZB-Maßnahme kontraproduktiv: Kredite würden teurer.

Müssen Sparer nun auch negative Zinsen fürchten?

Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon schob derartigen Befürchtungen vorsorglich einen Riegel vor. "Wir werden das sicher nicht an unsere Kunden weitergeben. Wir können den Sparern nicht sagen: Jetzt musst Du für Dein Vermögen auch noch Strafe zahlen", sagte er in Interviews. Volksbanken-Präsident Uwe Fröhlich betonte in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", dass zwar nicht mit negativen Zinsen im Kundengeschäft zu rechnen sei: "Zu befürchten ist jedoch — insbesondere im Zusammenspiel mit einer weiteren Zinssenkung der EZB —, dass der Sparzins künftig noch schmaler ausfallen wird, als er ohnehin schon ist."

(dpa/rtr)
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