Banken verlangen Verwahrentgelte Der Vormarsch der Negativzinsen

Düsseldorf · Immer häufiger müssen auch Bestandskunden die sogenannten Verwahrentgelte zahlen. Die Zahl der Institute, die Strafzinsen verlangen, liegt mittlerweile bei etwa 450. Auch gesetzliche Sparbücher bleiben nicht mehr verschont.

 Ein Radfahrer zieht am Mainufer einen Lichtstreifen vor die Kulisse der Europäischen Zentralbank (EZB). 

Ein Radfahrer zieht am Mainufer einen Lichtstreifen vor die Kulisse der Europäischen Zentralbank (EZB). 

Foto: dpa/Andreas Arnold

Das Thema Negativzinsen hält sie alle in Atem: die Euro­päische Zentralbank (EZB), die den Strafzins in Höhe von 0,5 Prozent von Banken und Sparkassen verlangt, die Geschäftsbanken, die diese an die Kunden weitergeben, und die Sparer, bei denen das sogenannte Verwahrentgelt am Ende hängenbleibt und die dafür zur Kasse gebeten werden, dass sie ihr Geld nur bei einer Bank deponieren wollen. Der frühere Verfassungsrichter Paul Kirchhof hat den Streit gerade neu entfacht, weil er ein Gutachten geschrieben hat, demzufolge die Minuszinsen der EZB verfassungswidrig sind. Aber ein Gutachten ist ein Gutachten und kein höchstrichterliches Urteil. Und deshalb bleiben die Negativzinsen erst einmal. So lange, bis ein Gericht zum Beispiel entschieden hat, ob die von Verbraucherschützern monierten Strafzinsen auf Girokonten rechtens sind, weil dort ohnehin schon Gebühren erhoben werden.

Was die Negativzinsen generell angeht: Sie gelten immer häufiger auch für Bestandskunden. Als die Geschäftsbanken in der Not den Strafzins als Einnahmequelle entdeckten, wiesen sie penibel darauf hin, dass die verschärften Konditionen natürlich nur für Neukunden gelten würden. Doch das hat sich geändert: „Die Banken haben gemerkt, dass die Möglichkeiten, hier Einnahmen nur über Neukunden zu generieren, erschöpft sind“, sagt der Hohenheimer Bankprofessor Hans-Peter Burghof. In der jüngsten Übersicht des Finanzportals Biallo tauchen Unternehmen auf, die auf entsprechende Regeln für Altkunden deutlich hinweisen, andere unterlassen es, wieder andere bleiben tatsächlich bei Strafzinsen nur für Neukunden. Aber der Trend ist eindeutig.

Die Gesamtzahl derer, die Verwahrentgelte verlangen, steigt ebenfalls unaufhaltsam. Bei Biallo werden mittlerweile 450 Banken und Sparkassen geführt, beim Vergleichsportal Verivox sind es zwar deutlich weniger, aber Verivox hat gleichzeitig ausgerechnet, dass sich die Zahl der Banken, die solche Entgelte erheben, in den vergangenen sechs Monaten verdoppelt hat.

Was soll der Kunde tun? „Immobilien sind für viele unerreichbar teuer geworden“, urteilt Burghof, „und wer Aktien in Niedrigzinszeiten kauft, dem sollte auf jeden Fall klar sein, dass ein Zinsanstieg sein Vermögen auch wieder deutlich kleiner macht.“ Seine Erkenntnis: „Am Ende entgeht niemand dem risikolosen Negativzins.“ Eine Bittere Erkenntnis.

Mit der sich aber nicht jeder zufriedengeben mag und deswegen noch nach (tatsächlich noch vorhandenen) Instituten sucht, die ihm wenigstens eine kärgliche Verzin­sung zahlen auf sein Tages- oder Festgeld. Das sind mitunter auch Anbieter aus dem europäischen Ausland, bei denen man als Sparer zumindest hinschauen sollte, wie die Einlagensicherung aussieht. Bei Euro-Nachbarn wie Österreich und Frankreich ist das kein Problem. Aber der Fall Greensill hat gezeigt, wie groß der Ärger werden kann, auch wenn die Sparer am Ende entschädigt werden.

Wer das als Kunde nicht will, dem bleibt nur der Ärger. Erst recht, wenn er auch noch Negativzinsen auf das Guthaben seines Sparbuchs zahlen soll. Das zieht immer weitere Kreise. Dabei sind die Verwahrentgelte auf das klassische Sparkonto mit gesetzlicher Kündigungsfrist eh schon umstritten. Selbst ein Sprecher des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands  räumte jüngst ein: „Gegen Negativzinsen auf Sparbücher spricht nach derzeit herrschender Meinung in der Rechtslehre, dass ihr Vertragszweck auf die Vermögensbildung gerichtet ist.“ Trotzdem sei es bei neuen Kunden aufgrund der Vertragsfreiheit immer möglich, Minuszinsen zu vereinbaren.

Bei den Bestandskunden ist das schon schwieriger. Mit ihnen muss man individuelle Vereinbarungen treffen, man kann ihnen neue Konditionen nicht einfach überstülpen, sondern ihnen nur kündigen, wenn sie nicht so wollen wie das Institut. Den Schritt scheuen aber manche. „Man verärgert seine Kunden, und man verliert Ansehen“, gibt Bank­experte Burghof zu bedenken. Doch aus seiner Sicht haben die Geldhäuser keine andere Wahl. Mit den Negativzinsen auf Spareinlagen habe die EZB  „den gesellschaftspolitischen Konsens“ aufgekündigt. „Man kann nicht in wesentlichen Geschäftsbereichen dauerhaft Verlust machen“, argumentiert Burghof aus Sicht der Geldhäuser.

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