Internationale Kritik Merkel mit dem Rücken zur Wand

Brüssel (RPO). Wegen ihre Mauer-Taktik in der Schuldenkrise steht Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem Rücken zur Wand. "Madame No" wird zum Handeln gedrängt - von EZB, EU und US-Präsident Obama.

Euro-Krise: Das sind Merkels Gegner und Verbündete
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Von US-Präsident Barack Obama über EU-Kommissionschef José Manuel Barroso bis zur Europäischen Zentralbank: Von allen Seiten wurde am Mittwoch Richtung Berlin geschossen, damit die Kanzlerin weich wird und den Weg zu einer umfassenden Rettung Griechenlands freimacht.

Während der Druck auf Berlin stieg, entspannten sich die Märkte; die Zinsen für die Staatsanleihen der Euro-Sorgenkinder sanken. Ein Hinweis darauf, dass der Privatsektor von dem Sondergipfel am Donnerstag keine allzu radikale Entscheidung mehr befürchtet.

Schon vor dem ersten Rettungsversuch Griechenlands hatte Obama zum Telefon gegriffen, um die Europäer, insbesondere Merkel, zum Eingreifen zu bewegen. Am Mittwochmorgen war es wieder so weit. "Beide haben sich darauf verständigt, dass der effektive Umgang mit der Krise nicht nur für die nachhaltige wirtschaftliche Erholung in Europa, sondern der ganzen Welt wichtig ist", gab das Weiße Haus bekannt.

Wo geht es lang?

Ein effektiver Umgang mit der Krise? Noch am Dienstag erklärte die Kanzlerin, es werde keinen "spektakulären Schritt" heraus aus dem Desaster geben. Sie werde sich dem Druck nicht beugen. Doch den "kontrollierten und beherrschten Prozess aufeinanderfolgender Schritte und Maßnahmen", den die Kanzlerin ankündigte, den nimmt ihr eben niemand mehr ab. Schließlich hat sich die Krise in den vergangenen anderthalb Jahren nach jedem Schritt in die vermeintlich richtige Richtung wieder zugespitzt.

Im Kern geht es um die Frage, ob die Eurostaaten mit ihrem Rettungsfonds EFSF noch viel umfassender für die Sorgenkinder einspringen. Oder ob sie den Schritt wagen, einen Teil der Last dem Privatsektor aufzubürden. Dass sich Merkel früh dafür eingesetzt hat, ist verständlich. Nur reagieren die Märkte extrem allergisch darauf, und testen den Überlebenswillen der gesamten Eurozone. Verzweifelt wird daher seit Wochen nach dem goldenen Mittelweg gesucht.

Ist der noch möglich? Kann die Währungsunion einem seiner Mitglieder die Altschulden einfach abkaufen, obwohl das Land dann als bankrott eingestuft würde? Hören die Griechen dann nicht sofort auf zu sparen? Reicht nicht vielleicht eine neue Bankenabgabe, die man dem Wähler zumindest als symbolische Beteiligung des Privatsektors verkaufen könnte? Oder sollte doch der Weg zu Eurobonds eingeschlagen werden, also einer Schuldenteilung durch gemeinsame Anleihen?

"Nicht sehr zielführend"

Eigentlich sollten die letzten Detailfragen am (heutigen) Mittwochabend von den Finanzministerin geklärt werden. Doch weil der gordische Knoten noch immer nicht zerschlagen ist, müssen die Spitzenberater nun am Donnerstag bis zur letzten Minute weiter an der Quadratur des Kreises arbeiten.

Viel Hoffnung auf eine überzeugende Lösung gibt es kaum noch. Die Diskussion sei konfus, die politische Führung fehle, kritisierte EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark in der "Börsenzeitung". Der Gipfel könne zu Entscheidungen gedrängt werden, "die möglicherweise nicht sehr zielführend sind, nur aus politischen Gründen gefällt werden und am Ende niemanden dienen". Auch Barroso schwant Düsteres: Wenn die Eurorettung jetzt leicht genommen werde, "dann wird die Geschichte diese Generation von Entscheidungsträgern hart aburteilen."

Kein Verständnis für rote Linien

Der Blick in die Geschichtsbücher ist für Merkel indes derzeit nicht ganz so nahe liegend wie der Blick auf die eigene Koalition. Gegen alle Vorschläge, die Schuldenkrise mit mehr Solidarität zu überwinden, regt sich reflexartiger Protest in den Regierungsfraktionen.

In Brüssel freilich versteht man nicht, warum sich die Kanzlerin von einem kleinen Koalitionspartner rote Linien vorgeben lässt, der mit seiner Euro-Skepsis verzweifelt um die schmelzende Wählergunst buhlt. Die SPD dagegen hat Merkel schon schadenfroh Rückendeckung angeboten. Nur sollte die Kanzlerin bei den entscheidenden Abstimmungen über die Griechenlandhilfe auf die Opposition angewiesen sein, dann würde das vielleicht den Euro retten. Für die Koalition aber wäre es ein Todesstoß.

Merkel und Sarkozy telefonierten über schon am Dienstag

Die Bundeskanzlerin und der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy sprachen schon am Dienstag am Telefon über die europäische Schuldenkrise, so Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. Während des Telefonats sei die Idee eines Treffens entstanden. Merkel und Sarkozy hätten sich dann darauf geeinigt, "dass ein solches Treffen sinnvoll wäre", sagte Seibert. Sarkozy wurde am Mittwochabend in Berlin erwartet.

"Ab einer gewissen Komplexität der Dinge" sei es hilfreich, sich persönlich zu weiteren Gesprächen zu treffen, erklärte Seibert. Zum Ziel des Treffens sagte er, Merkel und Sarkozy wollten sich "nach Kräften um eine gute, gemeinsame Linie" bemühen.

"Deutschland und Frankreich verspüren beide die Verantwortung, wieder einmal gemäß ihrer Bedeutung in Europa ihre Kraft für eine gute europäische Lösung einzusetzen", fügte Seibert hinzu. Ohne eine Einigung zwischen den beiden Ländern "kommt man in Europa gemeinsam nicht weiter".

Merkel und Sarkozy wollten bei einem Treffen am Mittwochabend in Berlin eine Lösung im Streit über die Beteiligung privater Gläubiger an der Rettung Griechenlands finden. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso appellierte eindringlich an die Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder, sich am Donnerstag zu einigen.

(apd/sdr)
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