Interview mit VKA-Präsident Böhle "Lohnerhöhungen treffen die Bürger"

Der Präsident der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Thomas Böhle, spricht im Interview mit unserer Redaktion über die Gewerkschaftsforderung für die Beschäftigten von Bund und Kommunen, die finanziell angespannte Lage der öffentlichen Haushalte und den Kampf um geeignete Fachkräfte.

 Thomas Böhle: "Seit 2008 nimmt die Verschuldung der Gemeinden kontinuierlich zu."

Thomas Böhle: "Seit 2008 nimmt die Verschuldung der Gemeinden kontinuierlich zu."

Foto: dpa

Verdi hat zwischen 6,1 und sieben Prozent plus sozialer Komponente für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gefordert. Was würde das die Kommunen kosten?

Böhle Eine solche Forderung würde mit sechs Milliarden Euro zu Buche schlagen. Bemerkenswert ist: Noch im März 2011 haben die Gewerkschaften mit den Ländern für 2012 ein Plus von 1,9 Prozent plus 17 Euro Sockelbetrag vereinbart — und das zu Zeiten, in denen man noch von einem längeren Aufschwung ausging. Insofern erscheint mir eine Forderung zwischen 6,1 und sieben Prozent unrealistisch.

Wie bewerten Sie die geforderte soziale Komponente?

Böhle Die Komponente soll in den unteren Gehaltsgruppen gezahlt werden, wovon etwa die Entsorgungsbetriebe und der Nahverkehr stark betroffen wären. In diesen Bereichen stehen wir in scharfer Konkurrenz zu den privatwirtschaftlichen Betrieben, die ihrer Belegschaft schon jetzt bis zu 30 Prozent weniger bezahlen. Ein Mindestbetrag, wie er Verdi vorschwebt, würde die Schere vergrößern. Das wäre ein Signal für weitere Privatisierungen im öffentlichen Dienst. Ich glaube nicht, dass Verdi daran ein Interesse hat. Wir jedenfalls wollen die Daseinsvorsorge auch künftig in öffentlicher Trägerschaft behalten.

Wie stehen die Kommunen derzeit finanziell da?

Böhle Den steigenden Einnahmen stehen überproportional angestiegene Ausgaben gegenüber, etwa die Inflation, zusätzliche Belastungen durch den Ausbau der Kita-Betreuung und die anhaltend hohen Sozialabgaben. Seit 2008 nimmt die Verschuldung der Gemeinden kontinuierlich zu und liegt zum Oktober 2011 auf einem Allzeithoch von 128,7 Milliarden Euro — ein Anstieg von 7,8 Prozent zum Vorjahr.

Damit könnten Sie eigentlich nur eine Nullrunde akzeptieren.

Böhle Eine Nullrunde scheint mir schwer begründbar, da die Beschäftigten verständlicherweise eine Beteiligung am Aufschwung erwarten. Andererseits stellen wir täglich fest, dass sich die Wirtschaftsprognosen für 2012 eintrüben.

Die Gewerkschaften argumentieren mit der Kaufkraft. Höherer Konsum soll den Rückgang der Exportwirtschaft abfedern. Überzeugt Sie das?

Böhle Für sich gesehen ist das durchaus nachvollziehbar. Allerdings blendet das unsere Kassenlage aus.

An welche Finanz-Stellschrauben können die Kommunen noch drehen?

Böhle Solange die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen anhält, spürt der Bürger jede zusätzliche Belastung in Form einer Minderung der Qualität oder gar der Einstellung unserer freiwilligen Leistungen. Die Alternative wäre eine weitere Arbeitsverdichtung für die Beschäftigten.

Die klagen aber schon heute über die Fülle ihrer Aufgaben. Ist die Kritik der Belegschaft berechtigt?

Böhle Ja. Die Grenze der Belastbarkeit für das Personal ist erreicht.

Sie müssen also Lohnerhöhungen durch die Streichung von Leistungen für die Bürger auffangen.

Böhle Ja. Aber das ist kein neues Phänomen. Seit Jahren werden bei den Kommunen freiwillige Leistungen zurückgestellt oder gestrichen. Die Finanznot hat zum Teil erschreckende Ausmaße angenommen. Zahlreiche Schwimmbäder, Sporteinrichtungen und kulturelle Einrichtungen mussten schließen, die Hebesätze der Grundsteuer vielfach erhöht werden.

Trifft der Fachkräftemangel die Kommunen bereits, oder ist das bislang noch ein Schreckgespenst, das die Gewerkschaften für sich nutzen?

Böhle Der Fachkräftemangel ist keine Erfindung der Gewerkschaften, sondern Realität. Bei uns sind namentlich die Kinderbetreuung, die Alten- und Krankenpflege betroffen, aber auch der IT-Bereich.

Auch die Privatwirtschaft sucht händeringend nach Fachkräften. Was hat der öffentliche Dienst dem entgegenzusetzen, um nicht langfristig abgehängt zu werden?

Böhle Wir haben eine ganze Menge zu bieten: Arbeitsplatz- und Standortsicherheit, Aufgabenvielfalt und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die nirgends auch nur ansatzweise so gut ausgeprägt ist wie in der kommunalen Verwaltung.

(RP/das)
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