Viele Zusatzbeiträge steigen Wie man die Krankenkasse wechselt

Düsseldorf · Viele gesetzliche Krankenkassen haben den Zuschlag zum Jahreswechsel erhöht, andere werden das noch tun. Das gibt Versicherten ein Sonderkündigungsrecht. Aber wohin wechseln? Wir sagen Ihnen, was Sie dabei wissen müssen.

 Viele Krankenkassen erhöhen ihren Zusatzbeitrag zum Jahresstart. Andere könnten noch nachziehen.

Viele Krankenkassen erhöhen ihren Zusatzbeitrag zum Jahresstart. Andere könnten noch nachziehen.

Foto: dpa/Jens Kalaene

Der eigentliche Beitragssatz ist bei jeder gesetzlichen Krankenkasse gleich: Ein Versicherter muss 14,6 Prozent seines Bruttolohns abgeben. Die eine Hälfte wird vom Arbeitgeber übernommen, die andere selbst bezahlt. Bei Versicherten, die Arbeitslosengeld, Sozialhilfe oder Grundsicherung erhalten, werden die Kosten vom jeweiligen Träger übernommen. Zusätzlich zum allgemeinen Beitragssatz gibt es seit 2015 allerdings die Möglichkeit für Krankenkassen, Zusatzbeiträge zu erheben. Die wurden von einigen Kassen jetzt erhöht; andere Kassen prüfen diesen Schritt. Ein Überblick.

Wie finanzieren sich gesetzliche Krankenkassen?

Die Krankenkassen finanzieren sich aus den Beiträgen der Versicherten, der Arbeitgeber und der Rentenversicherung. Dazu kommt ein Bundeszuschuss aus Steuern, der insbesondere Kosten für Schwangerschaft und Mutterschaft oder für beitragsfreie Kinder und Ehegatten übernimmt. Alles fließt zunächst in den Gesundheitsfonds des Bundes, aus dem das Geld dann zurück an die Versicherungen verteilt wird. Dazu werden Risikostrukturen zugewiesen. Das heißt: Kassen mit vielen alten oder kranken Mitgliedern bekommen mehr Geld als Kassen mit jungen und gesunden Mitgliedern.

Was ist der Zusatzbeitrag?

Reichen die Mittel aus dem Gesundheitsfonds nicht, um die Ausgaben der Krankenkassen zu kompensieren, gibt es die Möglichkeit, einen zusätzlichen Beitrag zu erheben. Das Bundesgesundheitsministerium setzt dazu in jedem Jahr den durchschnittlichen Zusatzbeitrag fest. Für 2021 liegt er bei 1,3 Prozent. Dabei handelt es sich um einen Schätzwert und keine exakte Berechnung. Der kassenindividuelle Zusatzbeitrag wurde auch eingeführt, um den Wettbewerb zu erhöhen. Mit ihm werden auch Leistungen finanziert, die über die gesetzlich vorgeschriebenen hinausgehen – Vorsorgeuntersuchungen, Zahnreinigungen, alternative Behandlungsformen oder Sportkurse. Auch deswegen kann sich die Höhe des Zusatzbeitrags unterscheiden.

  

 

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Steigt der Zusatzbeitrag bei allen Krankenkassen?

Nein. Einige Kassen halten ihn stabil, bei anderen steigt er vergleichsweise stark. Es gilt aber auch zu beachten, wie hoch der Zusatzbeitrag ursprünglich war. Die AOK Plus beispielsweise verdoppelt ihn (von 0,6 auf 1,2 Prozent), liegt dabei aber immer noch unter dem Wert der DAK, die bei 1,5 Prozent stabil bleibt. Die HKK hält den Zusatzbeitrag bei 0,39 Prozent. Gründe dafür seien geringe Verwaltungskosten, eine große Finanzstärke und gesundheitsbewusste Mitglieder, heißt es. Der Zusatzbeitrag kann auch im Laufe des Jahres angepasst werden. Auch andere Krankenkassen könnten ihn also noch erhöhen.

Warum steigt der Zusatzbeitrag?

Das hat laut Kassen verschiedene Gründe. „Die Auswirkungen der Corona-Pandemie machen natürlich auch vor dem Gesundheitssystem nicht halt“, erklärt die Viactiv, die von 1,2 auf 1,6 Prozent erhöhte. Außerdem gab es politische Entscheidungen, etwa das Gesetz zur Stärkung der Pflege und Maßnahmen zur digitalen Versorgung, die zu einer höheren finanziellen Belastung führten. „Die neuen Gesetze ebnen den Weg für wichtige Gesundheitsleistungen, bedeuten zugleich aber deutliche Mehrausgaben“, erklärt Viactiv. Auch die Barmer erhöhte den Beitrag um 0,4 Prozent und nennt als Gründe unter anderem „steigende Behandlungskosten durch den demografischen Wandel und medizinischen Fortschritt“.

Wie kann man wechseln?

Über die Anpassung der Tarife müssen die Krankenkassen ihre Mitglieder informieren, und zwar einen Monat vor Ende des ersten Monats der Erhöhung. Bei einer Erhöhung zum Jahreswechsel sollten also alle Versicherten spätestens am 31. Dezember eine Information erhalten haben. Dann gibt es ein Sonderkündigungsrecht. Wenn der Zusatzbeitrag höher als die durchschnittlichen 1,3 Prozent liegt, muss die Kasse zusätzlich darüber informieren, dass der Wechsel zu einer günstigeren Krankenkasse möglich ist. Dabei kann man auch kündigen, wenn man weniger als zwölf Monate bei der aktuellen Versicherung war. Das geht normalerweise nicht. Eine Neuerung in diesem Jahr: Versicherte müssen nicht mehr selber kündigen. Das übernimmt bei einem Wechsel die neue Krankenkasse. Allerdings gilt auch beim Sonderkündigungsrecht die Frist von zwei Monaten. Ein Beispiel: Die Kasse erhöht zum 1. April die Beiträge – dann können sich die Versicherten bis zum 30. April eine neue Kasse suchen, sind dann aber erst ab dem 1. Juli dort versichert.

Wann lohnt sich die neue Kasse?

Der Wechsel kann finanziell sinnvoll sein, insbesondere wenn man gesund ist, keine Zusatzleistungen in Anspruch nehmen möchte und die Kasse selten beansprucht. „Viele sind aber sehr krankenkassentreu“, sagt Sabine Wolter von der Verbraucherzentrale NRW. Besondere Leistungen können aber den Ausschlag geben: „Vor einigen Jahren war die Osteopathie ein Wechselgrund“, so Wolter. Mittlerweile würden immer mehr Krankenkassen osteopathische Therapien anbieten, sodass dieser Wechselgrund wegfällt. Auch Erreichbarkeit und Kundenservice vor Ort sind vielen Menschen laut Verbraucherzentrale wichtig. Stets lohnt sich ein Vergleich der Tarife und Leistungen im Netz.

Was gilt für private Krankenkassen?

Die finanzieren sich anders als die gesetzlichen Kassen und sind nicht verpflichtet, Versicherte anzunehmen. Hier richten sich die Beiträge nach Alter, Krankheitsbild und Dauer der Versicherung, nicht nach dem Einkommen, wie bei der GKV. Von den Änderungen bleiben private Versicherte gänzlich unberührt.

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