Verbraucherpreise Inflation in NRW sinkt unter sechs Prozent
Düsseldorf · Das bevölkerungsreichste Bundesland liegt aktuell deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Im Jahresvergleich waren Lebensmittel, Strom und Gas aber trotz jüngster Erleichterungen noch immer große Preistreiber.
Ulrich Katers Voraussage dürfte jene hoffen lassen, die seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine im Februar 2022 die Preise in vielen Bereichen rapide haben steigen sehen. „Es ist ein planmäßiger Schritt auf der Inflationstreppe nach unten. Im Herbst könnte wieder eine Drei vor dem Komma stehen“, meint der Chefvolkswirt der Deka-Bank. Das wäre eine deutliche Annäherung an die Zwei-Prozent-Marke, die als Zielmarke der Europäischen Zentralbank gilt, und nur noch knapp halb so viel wie im Juli, für den das Statistische Bundesamt am Freitag im Jahresvergleich eine Inflationsrate von 6,2 Prozent verkündet hat.
Die Wirkung der Zinserhöhungen in den vergangenen Monaten wird also sichtbar. Drei Prozent mögen es dann auch im September sein, aber im Jahresdurchschnitt wird die Rate noch höher liegen. Nach Einschätzung der Experten des Münchner Ifo-Instituts wird sie im kommenden Jahr zwar 2,1 Prozent erreichen, 2023 aber erst mal nur auf bundesweit 5,8 Prozent fallen, weil in diesem Jahr noch Inflationsprämien gezahlt würden und die Entgelte steigen, so die Wirtschaftsforscher.
Bei 5,8 Prozent ist Nordrhein-Westfalen schon angekommen. Damit ist das bevölkerungsreichste Bundesland im Juli 2023 schon ein Stückchen weiter als der Schnitt jener sechs Bundesländer, deren Zahlen die Grundlage für die vorläufigen Zahlen der Bundesstatistiker bilden. Baden-Württemberg (6,8 Prozent), Bayern (6,1) und Sachsen (6,7) melden ebenfalls sinkende Inflationsraten, in Brandenburg (6,7 Prozent) und Hessen (6,1 Prozent) blieb die Preissteigerung dagegen stabil.
Nordrhein-Westfalen bleibt damit zum zweiten Mal in diesem Jahr unter der Sechs-Prozent-Marke. Im Juni 2023 waren die Preise noch um 6,2 Prozent (Mai: 5,7) gegenüber dem gleichen Vorjahresmonat gestiegen, weil die Bundesregierung im Frühsommer 2022 mit dem Neun-Euro-Ticket und dem Tankrabatt geholfen hatte und damit der Preisunterschied im Juni-Vergleich noch größer gewesen war als im Mai-Vergleich. Der Rabatt endete im vergangenen Jahr im August, weshalb gestiegene Transportkosten gegenüber dem Spätsommer 2022 auch jetzt noch sehr sichtbar sind und das wohl auch im nächsten Monat noch sein werden. „Der überdurchschnittlich hohe Preisanstieg bei der kombinierten Personenbeförderung im Juli 2023 (plus 129,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat) resultiert aus diesem Basiseffekt“, erklärten die Landesstatistiker.
Ein solches Ausmaß haben Preisveränderungen in anderen Bereichen des täglichen Lebens nicht gehabt. Der Preisrückgang beispielsweise an den Tankstellen betrug im Juli noch ein Sechstel bei Diesel und 0,1 Prozent bei Benzin, nach 22 Prozent (Diesel) und acht Prozent (Benzin) im Juni. Vergleicht man dagegen die Kraftstoffpreise mit denen des Vormonats, ist ein leichter Anstieg zu beobachten, der sich aus der zuletzt gestiegenen Nachfrage in den Sommerferien erklärt.
Dagegen gibt es bei der Mode im Monatsvergleich einen deutlichen Rückgang. Bekleidung für Herren ist im Juli um rund fünf, jene für Damen um sechs Prozent günstiger als im Juni gewesen. Der Grund sind die gewährten Preisrabatte der Branche. Im Jahresvergleich ist Kleidung nur etwas teurer geworden.
Die großen Preistreiber im Jahresvergleich bleiben trotz einiger Erleichterungen Lebensmittel und Hauhaltsenergie. Gegenüber dem Juni 2022 sind Strom und Gas immer noch um einen zweistelligen Prozentsatz teurer geworden. Das gilt auch für Lebensmittel wie Brot, Gemüse, Fisch, Molkereiprodukte und Eier. Den Verbraucherschützern ist das, was manche Hersteller und Händler für Lebensmittel verlangen, längst ein Dorn im Auge. Beim Einkauf lägen die Preise vieler Lebensmittel weit über der offiziellen Preissteigerungsrate, monierten die Verbraucherzentralen zuletzt. Sie forderten deshalb Politik und Bundeskartellamt auf, „die Preisentwicklung im Handel und bei Herstellern sowie versteckte Preissteigerungen zu untersuchen“. Zunächst, so heißt es, sei noch weiter mit deutlich steigenden Lebensmittelpreisen zu rechnen.
Die Verbraucherschützer haben bereits null Mehrwertsteuer bei Obst, Gemüse und Hülsenfrüchten gefordert, womit klamme Verbraucherinnen und Verbraucher entlastet werden sollten. Was aber wohl nicht passieren wird. Auch die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Restaurant-Speisen, mit deren Hilfe die Gastronomen nach eigenen Angaben weitere Preissteigerungen vermeiden wollen, ist sehr fraglich.
Auch bei Non-Food-Herstellern könnte es noch nach oben gehen. Während im Handel einige Produkte billiger geworden sind, haben Produzenten wie Henkel schon höhere Preise in Aussicht gestellt. „Wir müssen in bestimmten Bereichen und Kategorien die Preise weiter erhöhen“, hat Henkel-Chef Carsten Knobe gesagt. Nur so lasse sich schwindende Profitabilität vermeiden. Und die ist natürlich für Investoren eine entscheidende Kennziffer.
Schließt man übrigens die Preise für Energie und Lebensmittel aus der Gesamtbetrachtung aus, kommt man auf eine Kerninflationsrate, die in Nordrhein-Westfalen nur noch bei 5,4 Prozent liegt. Diese Kerninflationsrate, so heißt es, müsse aber bundesweit unter drei Prozent liegen, ehe die Europäische Zentralbank in Frankfurt über Zinssenkungen nachdenken werde. Die sind also noch weit entfernt.