Einschätzung von Experten Warum die Grundsteuer weiter steigt

Düsseldorf · Nordrhein-Westfalen hat mit durchschnittlich 212 Euro pro Bürger die höchste Abgabe für Grundbesitz unter den Flächenländern. Die Kosten dürften weiter klettern. Das hat mit der Pandemie und mit der Reform der Steuer zu tun.

 Die Grundsteuer in NRW dürfte noch weiter steigen, sagen Experten.

Die Grundsteuer in NRW dürfte noch weiter steigen, sagen Experten.

Foto: dpa-tmn/Hauke-Christian Dittrich

Deutschlands Grundbesitzer müssen nach Expertenmeinung auch wegen der Folgen der Corona-Pandemie mit weiter steigenden Abgaben auf ihren Grundbesitz rechnen: „Allzu viele Möglichkeiten, ihre Einnahmesituation zu verbessern, haben die Kommunen nicht. Die Grund- und die Gewerbesteuer sind die wichtigsten eigenen Einnahmequellen der Städte und Gemeinden. Und wer nicht riskieren will, dass wichtige Gewerbesteuerzahler in günstigere Kommunen wegziehen, wird zunächst einmal die Grundsteuer heraufsetzen“, sagte Mattias Schneider, Partner bei der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. Im vergangenen Jahr haben zwar nur zehn Prozent der Kommunen in Deutschland an der Grundsteuerschraube gedreht, deutlich weniger als in den Jahren vor dem Ausbruch der Pandemie, doch für die kommenden Jahre rechnet Schneider hierbei mit einem deutlichen Anstieg.

Corona hat es den Städten nicht leichter gemacht. Die Krise hat im vergangenen Jahr dazu geführt, dass viele Kommunen an einigen Stellen immense Steuerausfälle zu beklagen hatten. Vor allem sind nennenswerte Teile der Gewerbesteuereinnahmen weggebrochen. Dass die Steuereinnahmen insgesamt trotzdem um 4,5 Prozent gestiegen sind, liegt nach Angaben von EY-Experte Schneider daran, dass die Kommunen teils hohe Zuweisungen von Bund und Ländern erhalten haben. Das habe die Einnahmeausfälle ausgeglichen, so Schneider. In manchen Kommunen sei das 2021 immer noch der Fall.

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Aus Sicht des Experten kann das aber keine Dauerlösung sein, nachdem der Bund im vergangenen Jahr „sehr großzügig“ coronabedingte Einnahmeausfälle kompensiert habe. „Das muss eine Ausnahme bleiben. Den Kommunen wird in vielen Fällen nichts anderes übrigbleiben, als wieder verstärkt Steuern zu erhöhen, um ihre Finanzlöcher auszugleichen“, sagt Schneider. Andernfalls drohe manchen Städten und Gemeinden eine Ablehnung der Haushalte durch die Kommunalaufsicht. Andere Einnahmequellen sind ebenfalls begrenzt, weil beispielsweise beim Verkauf von Beteiligungen schon viele Werte in den vergangenen Jahren abgegeben wurden.

Ein Beispiel, wie stark manche die Grundsteuer für die Einnahmensteigerung gebrauchen, ist die Stadt Mettmann, wo der Hebesatz für die Grundsteuer B um 195 Punkte auf 675 Prozent steigen soll. Das hat in der Stadt erheblichen Unmut und politische Diskussionen ausgelöst. Mettmann läge mit einer Erhöhung in dieser Größenordung allerdings noch deutlich über dem durchschnittlichen Hebesatz in Nordrhein-Westfalen (547 Prozent).

Insgesamt ist Nordrhein-Westfalen unter den Flächenländern das mit der höchsten Grundsteuer. Im Durchschnitt zahlte jeder Bürger in NRW im vergangenen Jahr 212 Euro, etwa ein Prozent mehr als im Vorjahr. Zum Vergleich: Hessen als zweitteuerstes Flächenland kommt auf 196 Euro. Von den 50 deutschen Kommunen mit den höchsten Hebesätzen liegen 32 in NRW. Deutlich weniger zahlen Bürger beispielsweise im Osten Deutschlands. In Brandenburg zahlte 2020 jeder Einwohner im Schnitt 108 Euro (Vorjahr 107 Euro). In Sachsen waren es 125 Euro (Vorjahr 123 Euro). Der Bundesdurchschnitt liegt bei 172 Euro.

Was abseits aller coronabedingten Löcher noch niemand sagen kann: Wie wirkt sich die Grundsteuerreform, die das Bundesverfassungsgericht erzwungen hat, auf die Einnahmesituation der einzelnen Kommunen aus? Das Ende 2019 beschlossene Modell sieht für die Länder die Möglichkeit vor, von der bundeseinheitlichen Vorgehensweise abzuweichen. Einige Bundesländer wollen das, NRW nicht. Landesfinanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) hat klar gesagt, dass das Land kein eigenes Gesetz erlassen will. Damit gilt in NRW künftig die Berechnungsmethode, die der Bund beschlossen hat. Und das heißt: Grundlage ist das sogenannte Ertragswertverfahren. In die Berechnung fließen Bodenrichtwert, Fläche der Immobilie, Nettokaltmiete und Alter des Hauses ein. Daraus wird von den jeweiligen Finanzämtern der Steuermessbetrag ermittelt – der wird dann mit dem individuell festgelegten Hebesatz der Gemeinden multipliziert. Die Konsequenz: Das Wohnen in guten Lagen mit bereits hohen Kaltmieten wird noch ein bisschen teurer. Dass die Reform wie vom Bund gewünscht kostenneutral ausfallen wird, mag sein. Aber: „Am Ende wird es Gewinner und Verlierer geben“, urteilte jüngst der Eigentümerverband Haus & Grund.

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