Die Branche wehrt sich Große Sorge um die Lebensversicherung

Berlin/Düsseldorf · Angesichts anhaltend niedriger Zinsen wächst in der deutschen Politik die Befürchtung, dass einige Lebensversicherer die Leistungsversprechen an ihre Kunden nicht mehr einhalten können. Die Finanzaufsicht und das Finanzministerium warnen vor Schieflagen von Anbietern. Die Branche wehrt sich gegen solche Spekulationen.

Die Branche wehrt sich: Große Sorge um die Lebensversicherung
Foto: dpa, Nicolas Bouvy

Einem internen Papier des Bundesfinanzministeriums zufolge sorgen sich Regierung und Finanzaufsicht vor allem um schwächereUnternehmen, bei denen ab 2018 das Kapital nicht mehr ausreichen könnte, um die gegebenen Garantien zu erfüllen.

Die Folge: Kunden bekämen deutlich weniger ausgezahlt, als ihnen zugesagt wurde. Zuvor hatte die "Bild"-Zeitung berichtet, erste Gesellschaften böten ihren Kunden neue Verträge mit schlechteren Konditionen zum Tausch an.

Der Branchenverband GDV wies Spekulationen zurück, dass Schieflagen drohten und Unternehmen ihre Zinsversprechen nicht mehr einhalten könnten. Die Lebensversicherung sei sicher, sagte ein Sprecher. Es sei falsch zu behaupten, dass immer mehr Versicherer nicht mehr zahlen könnten. Die Niedrigzinsen seien allerdings eine "große Herausforderung".

Probleme bei der Geldanlage

Die Probleme der Branche entstehen dadurch, dass manche Unternehmen bei der Anlage der Kundengelder bei Weitem nicht mehr das erwirtschaften können, was sie zuvor den Kunden versprochen haben. Dies gilt vor allem für Altverträge, die in früheren Jahrzehnten noch mit Garantiezinsen von bis zu vier Prozent abgeschlossen wurden.

Die Anbieter sind aber andererseits gesetzlich verpflichtet, Kundengelder in besonders sichere Anlagen wie Bundesanleihen zu investieren. Deren Renditen liegen jedoch deutlich unter der aktuellen Inflationsrate und auch deutlich unter dem Garantiezins von derzeit 1,75 Prozent.

"Eine anhaltende Niedrigzinsphase belastet die wirtschaftliche Lage der Lebensversicherer mittel- bis langfristig", heißt es in dem Papier des Finanzministeriums, das als Aufzeichnung eines Fachgesprächs mit Experten des Ministeriums, der Finanzaufsicht Bafin und des Finanz-Bundestagsausschusses am 26. Oktober geführt wurde.

Regierung will helfen

Demnach könnte vor allem das schwächste Fünftel der Anbieter in Schwierigkeiten geraten. Doch auch wenn die Zinsen steigen, könnte es Probleme geben. Denn dann würden andere Geldanlagen für Verbraucher attraktiv. Bei einer höheren Inflation würden "Stornierungen von Lebensversicherungsverträgen aus Kundensicht attraktiver", es bestehe die Gefahr eines "Runs", eines Wettlaufs der Kunden aus den Policen, heißt es in dem Protokoll, das unserer Zeitung vorliegt.

Die Regierung will den Versicherern nun unter die Arme greifen. Der Bundestag wollte gestern eine Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes billigen. Demnach müssten die Versicherer Kunden nicht mehr an bestimmten Teilen ihrer Reserven beteiligen. Diese Reserven entstehen dadurch, dass Kapitalanlagen in den Bilanzen mit einem höheren Preis bewertet werden, als die Versicherer selbst bezahlt haben. Einen bestimmten Teil davon müssen die Unternehmen bisher an ihre Kunden auszahlen.

Grünen-Finanzpolitiker Gerhard Schick kritisierte den Beschluss und mahnte dringend mehr Transparenz für die Kunden an. Diese müssten "endlich nachvollziehbare Informationen darüber erhalten, wie sich die Überschussbeteiligung berechnet".

(mar)
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