Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgericht Gender-Pay-Gap – Gehalt vergleichen statt verhandeln?
Köln/München · Sie sind mit Ihrem Gehalt unzufrieden und vermuten, Ihr männlicher Kollege bekommt mehr? Was Sie dann tun können. Und warum ein aktuelles Urteil für Arbeitnehmerinnen hier wichtig wird.
Frauen verdienen in Deutschland im Schnitt weniger als Männer. Laut Statistischem Bundesamt lag ihr Verdienst pro Stunde 2022 sogar dann sieben Prozent unter dem ihrer männlichen Kollegen, wenn sie vergleichbare Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografien haben.
Doch ein Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt könnte nun für mehr Lohngerechtigkeit sorgen. Es entschied kürzlich im Fall einer Dresdnerin, die zeitweise monatlich 1000 Euro weniger verdiente als ein kurz zuvor eingestellter männlicher Kollege mit gleichen Verantwortlichkeiten und Befugnissen (Az.: 8 AZR 450/21). Und zwar zugunsten der Klägerin: Es sprach der Frau eine Gehaltsnachzahlungen von 14.500 Euro und eine Entschädigung von 2000 Euro zu.
Eine Frau habe Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit, wenn der Arbeitgeber männlichen Kollegen aufgrund des Geschlechts ein höheres Entgelt zahlt, heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts. Daran ändere sich auch nichts, wenn der männliche Kollege ein höheres Entgelt fordert und der Arbeitgeber dieser Forderung nachgibt.
Das klingt nach einer guten Nachricht für Arbeitnehmerinnen. Doch viele dürften sich nun erstmal die Frage stellen: Was verdienen meine männlichen Kollegen eigentlich - und wie kann ich das herausfinden?
Die gute Nachricht: Dafür gibt es einen offiziellen Weg, zumindest in größeren Unternehmen. „Hat der Betrieb mehr als 200 Mitarbeiter, so kann ich Auskunftsansprüche geltend machen“, sagt Rechtsanwältin Nathalie Oberthür aus Köln. „Der Arbeitgeber ist auf Anfrage verpflichtet, den Medianwert der Gehälter des anderen Geschlechts im gleichen oder einem gleichwertigen Job mitzuteilen.“
Allerdings gilt auch: Den Median der Gehälter der weiblichen Mitarbeiter muss der Arbeitgeber nicht mitteilen. Der herausgegebene Wert kann also nur mit dem eigenen Gehalt verglichen werden. „Als erstes Indiz für geschlechterbezogene Benachteiligung kann eine solche Zahl allerdings dienen“, sagt Oberthür. „Deutet die auf eine deutliche Diskrepanz hin, muss der Arbeitgeber beweisen, dass sachliche Differenzierungsgründe bestehen.“
Und hier macht das Urteil des Bundesarbeitsgerichts künftig womöglich den entscheidenden Unterschied. „Oft haben sich Arbeitgeber in einem solchen Fall darauf berufen, dass Gehaltsunterschiede der aktuellen Marktsituation und demnach der Verhandlungsposition des Gegenübers geschuldet waren“, sagt Oberthür. Seit dem jüngsten Urteil des BAG ist das so nicht mehr möglich. Denn das entschied, dass eine gute Gehaltsverhandlung als Rechtfertigung für einen Gehaltsunterschied nicht mehr ausreicht.
Einen Haken gibt es jedoch: Hat ein Unternehmen weniger als 200 Mitarbeiter, besteht der individuelle Auskunftsanspruch nicht. Dann bleibe den Arbeitnehmerinnen allerdings noch ein Gang zum Betriebsrat, so Oberthür. „In der Folge einer Beschwerde kann dieser sich über eventuelle Gehaltsunterschiede kundig machen.“
Hat niemand im eigenen Betrieb einen annähernd gleichwertigen Job, dürfte der direkte Vergleich allerdings schwierig werden. Was hilft also in Gehaltsverhandlungen, sollte man hier nach wie vor auf ein gutes Ergebnis angewiesen sein?
Verhandlungscoachin Claudia Kimich rät, die eigenen Gehaltsziele klar zu definieren: Dazu gehört ein Maximalziel, das über dem Gehalt liegt, mit dem man zufrieden wäre, und ein Minimum, unter das man nicht gehen möchte. Ihr Tipp: Zu hoch ansetzen ist kaum möglich. Wer unsicher ist, kann sich aber auch auf Vergleichsportalen informieren.
Will man aus der Gehaltsverhandlung für einen neuen Job von vornherein mit einem guten Ergebnis gehen, sollte man sich im Vorfeld grundsätzlich gut vorbereiten. Dazu gehöre, sich intensiv mit dem eigenen Können auseinanderzusetzen - und sich folgende Fragen zu stellen: „Was habe ich bis jetzt gemacht? Was ist mein Anteil an dem, was ich gemacht habe? Und welchen Nutzen biete ich für das Unternehmen?“, so Kimich.
Hilfreich könne auch sein, eine Liste anzulegen und zu notieren: „Was kann ich sehr gut? Was kann ich gut?“
In den Verhandlungen selbst empfiehlt Kimich dann klare Formulierungen zu wählen. Worte wie „würde, hätte, könnte“ haben in Gehaltsverhandlungen nichts verloren. Stattdessen gilt: „Generell aktive Worte wählen“, so die Verhandlungsexpertin. Sagen könne man etwa: „Ich habe das Projekt gemacht, dafür habt ihr diesen Nutzen.“
Fällt es Ihnen schwer, selbstbewusst in die Verhandlungen zu gehen, rät Kimich vor allem: „Üben, üben, üben!“ Dabei sei es sinnvoll, die Summe, die man fordern möchte, mehrfach laut auszusprechen. „Suchen Sie sich fünf Persönlichkeiten und üben Sie als diese Persönlichkeiten das Gespräch, die Argumente vorzubringen, die Zahl auszusprechen.“