Mehr Kapital, weniger Bürokratie NRW.Bank soll mehr in Start-ups investieren

Düsseldorf · Die Förderbank ist der wichtigste Geldgeber für Start-ups in NRW – weil es weiterhin an Kapital für NRW-Unternehmen mangelt. Das Ziel von NRW-Wirtschaftsminister Pinkwart, NRW an die europäische Spitze zu führen, rückt dadurch vorerst in Ferne.

 NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart will NRW zu einem der führenden Start-up-Zentren Europas machen.

NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart will NRW zu einem der führenden Start-up-Zentren Europas machen.

Foto: MWIDE/MARK HERMENAU

Die landeseigene Förderbank NRW.Bank richtet ihr Risikokapital-Geschäft neu aus, um schneller und stärker in Start-ups investieren zu können. Dazu sollen unter anderem Entscheidungsprozesse verkürzt und die zur Verfügung stehenden Mittel aufgestockt werden. Die Bank gehe damit den nächsten Schritt, sagte NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart am Montag bei der Vorstellung des Konzepts. Er betonte dabei das Ziel, dass NRW zu einem der Top-10-Standorte für Start-ups in Europa werden soll.

Doch zuletzt ist der Abstand zur Spitze eher größer geworden. Allein in diesem Jahr sind bereits sieben deutsche Start-ups in den Club der Einhörner aufgestiegen. So nennt man nicht-börsennotierte Start-ups mit einer Bewertung von mehr als einer Milliarde Dollar. Insgesamt gibt es laut dem Analysedienst CB Insights aktuell 16 dieser Einhörner in Deutschland. Die meisten haben ihren Sitz in Berlin oder Bayern, keins davon sitzt in NRW.

An Rhein und Ruhr entwickelt sich die Start-up-Szene zwar ebenfalls positiv, doch gerade beim Zugang zu Risikokapital fällt das Land deutlich zurück. In Bayern oder Berlin bekamen teilweise einzelne Start-ups mehr Kapital als die gesamte Szene in NRW – speziell von US-Investoren, die mit viel Kapital die Bewertungen in die Höhe treiben. Das zeigen Zahlen aus dem noch unveröffentlichten Start-up-Barometer der Beratung EY. Die Zahl der Finanzierungsrunden ist in NRW demnach im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 32 auf 52 gestiegen. Insgesamt bekamen die Start-ups dabei 171 Millionen Euro Risikokapital. Ein Jahr zuvor waren es im ersten Halbjahr nur 60 Millionen.

Die deutlichen Steigerungen müssen allerdings im Kontext der Corona-Pandemie gesehen werden, die speziell im ersten Halbjahr 2020 den Markt massiv beeinträchtigt hat. Vergleicht man die Zahlen mit dem ersten Halbjahr 2019, sieht man nur leichte Verbesserungen. Damals gab es 42 Finanzierungsrunden, bei denen in Summe 133 Millionen Euro investiert wurden.

Die Zahlen sind allerdings nicht repräsentativ, weil EY dafür lediglich Pressemitteilungen, die Berichterstattung in den Medien und Informationen auf Start-up-Portalen wie Crunchbase auswertet. Vergleiche der Zahlen mit anderen Angaben sind daher schwierig.

Was man unabhängig davon sagen kann: Die NRW.Bank zählt zu den wichtigsten Risikokapitalgebern in NRW. Mit jedem Euro in Start-ups investierten Kapital werden zusätzlich 4,9 Euro privates Kapital aktiviert, verriet Vorstandsmitglied Michael Stölting. Während der Pressekonferenz bestätigte sogar der per Videokonferenz zugeschaltete Johannes Heinloth, Vorstand bei der baden-württembergischen L-Bank, dass dies ein außerordentlich starker Wert sei.

Um künftig noch konkurrenzfähiger gegenüber privaten Investoren zu sein, soll das Venture-Capital-Geschäft nun unter der Marke „NRW.Venture“ neu aufgestellt werden. Dazu gehört, dass in Zukunft bis zu einer Summe von 3,5 Millionen Euro ein internes Investmentkomitee entscheidet, ob in ein Start-up investiert wird oder nicht. „Wir müssen dann nicht mehr extra Schleifen in der Bank drehen“, hebt Michael Stölting hervor. Schnelligkeit wird durch die zunehmende Konkurrenz am Markt immer entscheidender.

Zwischenzeitlich gab es daher auch im politischen Umfeld Überlegungen, das Risikokapital-Geschäft komplett aus der Bank auszugliedern und als Fonds eigenständig aufzustellen. Am Ende entschied man sich dagegen. Man habe die Frage nach der richtigen Struktur abgewogen, sagt NRW-Wirtschaftsminister Pinkwart, denn natürlich unterlägen Banken anderen Vorgaben: „Wir sind an die Grenze dessen gegangen, was eine Bank verantworten kann.“ Doch dafür sei man nun auch genauso wettbewerbsfähig aufgestellt wie private Akteure.

Umgekehrt holt sich die Bank auch mehr Expertise ins Haus. So wird ein „Venture Circle“ eingerichtet, in dem erfahrene Köpfe der Start-up-Szene die Bank beraten. Dazu zählen unter anderem Michael Brandkamp, der den halbstaatlichen Hightech-Gründerfonds aufgebaut hat und aktuell den European Circular Bioeconomy Fund leitet, oder Christian Siegele vom Kölner Risikokapitalgeber Capnamic.

Sie sollen die Bank unter anderem bei der Investmentstrategie beraten. Denn das Geschäft wird auch finanziell weiter ausgebaut. So will die Bank 50 Millionen Euro in andere Start-up-Fonds investieren. Auch die Auflage eines eigenen, dann vierten Fonds im kommenden Jahr wird vorbereitet. Der bislang letzte Fonds hatte ein Volumen von 100 Millionen Euro. Und Michael Stölting macht klar: „Ich gehe davon aus, dass der nächste nicht darunter liegen wird.“

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