Steigende Energiepreise Mieterbund fürchtet „Ruin für Millionen Mieter“ wegen Gaskrise
Berlin · Angesichts der gestiegenen Energiepreise nehmen die Forderungen nach zusätzlichen Entlastungen für die Menschen in Deutschland zu. Der Deutsche Mieterbund warnt vor finanziellen Nöten in vielen Haushalten.
Der starke Kostenanstieg „könnte nicht weniger als den Ruin für Millionen Mieter bedeuten“, sagte Verbandspräsident Lukas Siebenkotten der „Bild“-Zeitung (Samstag). Die Bundesregierung sei aufgerufen, kurzfristig erhebliche Heizkostenzuschüsse für die Menschen auf den Weg zu bringen, die sonst eine geheizte Wohnung nicht mehr bezahlen könnten.
Linken-Chef Martin Schirdewan drang auf eine bessere Unterstützung einkommensschwacher Haushalte. Diese sollten einen „sozialen Klimabonus“ bekommen, der bei einem Grundbetrag von 125 Euro im Monat liege und für jedes weitere Haushaltsmitglied um 50 Euro aufgestockt werde, sagte er den Zeitungen der Essener Funke-Mediengruppe (Samstag). Außerdem sprach er sich für eine Deckelung der Energiepreise aus, „damit die Leute im nächsten Winter noch heizen und Fernsehen gucken können“.
Zugleich wandte sich Schirdewan gegen Appelle der Bundesregierung, angesichts der Gaskrise den privaten Energieverbrauch einzuschränken. „Ich rate den Leuten, nicht auf die Verzichtspropaganda hereinzufallen“, sagte er. „Es kann nicht darum gehen, weniger zu heizen oder kälter zu duschen.“
Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Verena Hubertz, stellte angesichts der Warnungen weitere Entlastungen durch die Bundesregierung in den nächsten Monaten in Aussicht. „Wir kennen den Ernst der Lage. Und wir arbeiten mit Hochdruck an Lösungen“, sagte Hubertz der „Bild“-Zeitung. Kein Mieter dürfe wegen der hohen Nebenkosten auf der Straße landen, betonte sie. Die SPD-Politikerin sprach sich außerdem für einen Kündigungsstopp aus. Auch damit könne sichergestellt werden, dass säumige Mieter ihre Wohnung nicht verlieren.
Die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesbauministerium, Cansel Kiziltepe (SPD), trat derweil Sorgen entgegen, die Heizungstemperatur könnte zur Verringerung des Gasverbrauchs gesetzlich beschränkt werden. Es werde kein gesetzliches Frieren geben, sagte sie am Samstag im Deutschlandfunk. Sie wies darauf hin, dass es einen gesetzlichen Rahmen hinsichtlich der Mindesttemperaturen in Wohnungen gebe.
Kiziltepe kritisierte den Wohnungskonzern Vonovia, der mit seiner jüngsten Ankündigung viele Menschen verunsichert habe. Deutschlands größter Immobilienkonzern will eigenen Angaben zufolge die Wärme-Leistung zwischen 23 Uhr und 6 Uhr früh auf 17 Grad Raumtemperatur reduzieren.
Auf die stark steigenden Preise vor allem für Energie und Lebensmittel hat die Bundesregierung bereits mit zwei sogenannten Entlastungspaketen reagiert. Unter anderem fiel zum 1. Juli die EEG-Umlage weg, ein halbes Jahr früher als geplant. Auch wurden Hilfen für Sozialhilfe- und Wohngeldempfänger sowie das 9-Euro-Ticket und der Tankrabatt beschlossen. Einkommenssteuerpflichtige Erwerbstätige erhalten eine Energiepauschale von 300 Euro.
Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, rechnet mit dauerhaft hohen Gaspreisen in Deutschland. „Auch wenn wir in keine Gasnotlage kommen, bleibt das Gas teuer“, sagte Müller dem Nachrichtenmagazin „Focus“ (Samstag). Dabei seien die Folgen der aktuellen Gasknappheit preislich bei den Verbrauchern noch gar nicht angekommen. „Das kann für eine Familie schnell eine Mehrbelastung von 2000 bis 3000 Euro im Jahr bedeuten. Da ist die nächste Urlaubsreise oder die neue Waschmaschine dann oft nicht mehr drin.“ Deutschland drohe eine „Gasarmut“.
Sollte die Bundesregierung die dritte und letzte Stufe im Notfallplan Gas ausrufen, agiert die Bundesnetzagentur als Bundeslastverteiler - sie entscheidet also, wer wie viel Gas bekommt. Sogenannte geschützte Kunden, darunter auch private Haushalte, haben dann Vorrang. Einer Bevorzugung der Industrie erteilte Müller im „Focus“ erneut eine Absage. „Die Priorisierung der Verbraucher ist richtig.“ Unternehmen, die kein Gas mehr erhalten, würden zwar entschädigt, Müller rechnet aber trotzdem mit einer Vielzahl von Klagen.
Der Bundesnetzagentur-Chef rief auch erneut dazu auf, Energie zu sparen. „Wer nicht aus Solidarität oder im Sinne des Klimaschutzes Gas sparen will, sollte an die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes denken“, sagte er. Die deutschen Industriebetriebe spürten die hohen Preise schon jetzt und stünden in Konkurrenz zu Unternehmen aus Asien oder den USA, wo das Gas günstiger ist.