EU-Krise erfasst immer mehr Länder Finanzmärkte schießen sich auf Belgien ein

Brüssel/Paris/Frankfurt · Nun hat es Belgien erwischt: Die Finanzmärkte haben sich am Mittwoch den kleinen Nachbarn Deutschlands vorgeknöpft. Die Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen schossen erstmals über 5 Prozent hoch auf bis zu 5,51 Prozent, wie die Zeitung "De Standaard" meldete. Damit wird es für das Land immer teurer, seinen hohen Schuldenstand zu finanzieren.

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Foto: dpa

Zugleich blieb die Bundesregierung auf einem großen Teil angebotener Anleihen sitzen. Da italienische und spanische Papiere wieder die Zinsgrenze von 7 Prozent testeten, kaufte die Europäische Zentralbank (EZB) zur Zinsdämpfung Anleihen.

"Dies ist nun eine Existenzkrise für den Euro, nichts weniger", kommentierte Sony Kapoor von der Brüsseler Denkfabrik Re-Define die gescheiterte Auktion deutscher Anleihen. "Die deutsche Selbsteinschätzung, dass das Land irgendwie über der Krise schwebt, müsste jetzt Löcher bekommen haben."

Frankreich droht Verlust der Top-Bonität

Gleichzeitig droht Frankreich auch nach Einschätzung der Ratingagentur Fitch der Verlust seiner Top-Bonität, sollte sich die Krise in der Eurozone weiter verschärfen. Eine "weitere Intensivierung der Krise" werde zu einer sehr viel drastischeren Konjunkturabschwächung in Frankreich und der Europäischen Union führen als bislang befürchtet, erklärte Fitch in einem Bericht. Dies bedeute, dass Frankreich Gefahr laufe, seine Bonitätsnote "AAA" zu verlieren. Wenige Tage zuvor hatte sich die Ratingagentur Moodys ähnlich geäußert.

Belgien ist seit fast 530 Tagen ohne Regierung. Nach dem neuerlichen Scheitern der Regierungsbildung nehmen die Finanzmärkte Belgien immer stärker in die Zange. Die Zinsen auf dem Zweitmarkt stiegen von 4,995 am Vortag auf zeitweise 5,51 Prozent. Auch von der EU kommt Druck, endlich einen Haushalt für 2012 mit einer Neuverschuldung von nicht mehr als drei Prozent sowie die versprochenen Strukturreformen zu präsentieren. Liefert Belgien nicht, drohen dem Land schmerzhafte Sanktionen.

Deutschland kann nicht alle Anleihen absetzen

Deutschland wiederum scheiterte mit dem Versuch, sechs Milliarden Euro an Kredit aufzunehmen. Die Finanzagentur des Bundes konnte in einer Auktion für einen Zehnjahreskredit für 2,0 Prozent nur 3,6 Milliarden Euro einnehmen. Sie muss jetzt versuchen, die restlichen 2,4 Milliarden Euro auf andere Weise zu verkaufen, beispielsweise direkt an Pensionsfonds. Die Finanzagentur erklärte, es sei das neunte Mal in diesem Jahr gewesen, dass in einer Auktion zu wenig Interesse an den Anleihen bestanden habe. Zwei weitere Auktionen stehen bis Jahresende noch an.

Italienische Zinsen für zehnjährige Anleihen schossen am frühen Morgen auf die 7 Prozent zu, bevor sie dann auf unter 6,9 Prozent zurückfielen. Spanische Anleihen für 10 Jahre kletterten auf dem Zweitmarkt auf 6,66 Prozent und verharrten dort. Drei Händler in London berichteten, die EZB habe erneut italienische und spanische Staatsanleihen gekauft.

EZB kauft wieder Anleihen

Die Notenbank kaufe Titel mit kürzeren Laufzeiten, sagten die Händler. Zweijährige Titel Italiens rentieren mit 6,98 Prozent und damit 0,28 Prozentpunkte höher als am Vortag. Die entsprechende spanische Anleihe notierte mit 5,80 Prozent, was einen Anstieg um 0,14 Prozentpunkte darstellte.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete den jüngsten Vorschlag der Europäischen Kommission zur Schaffung von Euro-Bonds als "unpassend". Das sei kein Ausweg aus der aktuellen Misere, sagte sie im Bundestag. Zuvor müsse es Vertragsänderungen in Europa geben.
Anders werde der Vertrauensverlust nicht gestoppt. Neben Vertragsänderungen werde unbedingt auch eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Staaten und eine Annäherung in der Steuerpolitik gebraucht.

Erneut forderte sie Griechenland auf, seine Auflagen endlich zu erfüllen. "Die griechische Frage ist noch nicht geklärt", sagte die Kanzlerin mit Blick auf die nächste, noch offene Tranche für Athen.
Erst wenn alle griechischen Parteien das Restrukturierungsprogramm verbindlich mittrügen, werde es weitere Milliardenhilfen geben.

(APD)
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