Leitzins bleibt bei null Prozent EZB verschiebt Zinswende auf nächsten Sommer

Vilnius/Frankfurt · Die Europäische Zentralbank belässt den Leitzins länger als geplant bei null Prozent. Zudem will die EZB den Banken mit großzügigen Zinskonditionen für die neuen Langfristkredite unter die Arme greifen.

Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank spricht während einer Pressekonferenz (Archivbild).

Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank spricht während einer Pressekonferenz (Archivbild).

Foto: dpa/Arne Dedert

Die Europäische Zentralbank verschiebt angesichts der zahlreichen konjunkturellen Fragezeichen die Zinswende bis weit in das nächste Jahr. Die Währungshüter um EZB-Präsident Mario Draghi stellten am Donnerstag nach ihrer Zinssitzung in Vilnius in Aussicht, die Leitzinsen der Euro-Zone noch bis mindestens zum Ende des ersten Halbjahrs 2020 nicht antasten zu wollen. Bislang galt dies nur bis zum Ende des laufenden Jahres. Damit stellen die Währungshüter geldpolitische Weichen, die bis in die Amtszeit des nächsten Notenbank-Präsidenten reichen. Draghi scheidet Ende Oktober aus dem Amt. In seiner achtjährigen Zeit an der Spitze wird die EZB somit nicht einmal die Zinsen erhöht haben.

"Die EZB versucht, sich noch mal gegen die Abkühlung der Konjunktur zu stemmen, ohne die Zinsen zu senken", kommentierte Carsten Brzeski, Chefvolkswirt des Bankhauses ING in Deutschland die Beschlüsse. Die Veränderung des Zinsausblicks in Kombination mit billigem Geld für Banken sollte die Märkte positiv stimmen. "Das muss aber noch nicht das Ende der Fahnenstange sein." Sein Kollege Friedrich Heinemann vom ZEW-Institut in Mannheim sieht die Euro-Notenbank nun in einer schwierigen Lage. Anders als andere Notenbanken besitze die EZB keinen nennenswerten zinspolitischen Spielraum mehr.

Dies ist nach März bereits das zweite Mal, dass die Euro-Notenbank ihren Zinsausblick zeitlich nach hinten verschiebt. Ursprünglich hatte sie nur bis zum Ende dieses Sommers in Aussicht gestellt, an ihren Zinsen nicht zu rütteln. Der Schlüsselsatz zur Versorgung der Banken mit Geld liegt seit März 2016 auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent.

"NACH WIE VOR GÜNSTIG"

Die EZB kündigte zudem an, den Banken mit eher großzügigen Zinskonditionen für die neuen Langfristkredite unter die Arme zu greifen. Bei den zweijährigen Darlehen, die in der Fachwelt "TLTRO III" genannt werden, winkt den Banken ein günstiger Zins, wenn sie bei der Kreditvergabe nachweislich bestimmte Ziele erfüllen. Zunächst einmal wird für die Kredite aber ein Satz von zehn Basispunkten über dem Leitzins veranschlagt. Er kann aber sinken und zehn Basispunkte über dem Einlagensatz liegen, wenn Kredivergabeschwellen überschritten werden. Aktuell liegt der Satz bei minus 0,4 Prozent. "Die Geldspritzen sind nach wie vor günstig", kommentierte Alexander Krüger, Chefvolkswirt beim Bankhaus Lampe. Die EZB habe das Band nur etwas angehoben. "Das ist aber kein echtes Straffungssignal."

Das geldpolitische Ziel der EZB bei diesen speziellen Liquiditätsspritzen ist es, die Kreditvergabe im Währungsraum zu beflügeln. Sie sind daher so gestaltet, dass Banken Anreize erhalten, Darlehen an die Wirtschaft zu geben. In der vorangegangen Serie (TLTRO II) lag die Prämie bei bis zu 0,4 Prozent, wenn sie nachweislich mehr Kredite ausreichten.

Die neuen Darlehen, die die EZB ab September auflegen will, dürften Experten zufolge wie schon die Vorgänger-Serie vor allem in südlichen Euro-Ländern abgerufen werden. Vor allem Banken in Italien, Spanien und Frankreich hatten damals zugegriffen. Auf italienische Geldhäuser entfielen nach EZB-Daten zuletzt noch ausstehende Langfristkredite in Höhe von annähernd 240 Milliarden Euro, spanische Institute werden mit rund 167 Milliarden Euro aufgeführt, Banken aus Frankreich mit etwa 112 Milliarden Euro.

(felt/Reuters)
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