EZB-Chef schiebt mit Äußerung Börsen an Draghi signalisiert weitere Lockerung der Geldpolitik

Frankfurt · Der Dax macht einen Satz in die Höhe: EZB-Chef Mario Draghi stellt die Weichen für eine erneute Lockerung der Geldpolitik. Wenn die Inflation weiterhin nicht anziehe, werde seiner Aussage zufolge zusätzlicher geldpolitischer Anschub erforderlich sein.

Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), (Archivbild).

Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), (Archivbild).

Foto: dpa/Arne Dedert

Das sagte er am Dienstag auf dem EZB-Notenbankforum im portugiesischen Sintra. "Wir werden alle Flexibilität innerhalb unseres Mandats nutzen, um unseren Auftrag zu erfüllen." Die Finanzmärkte zeigten sich überrascht, am Geldmarkt wird nun eine Zinssenkung im Euro-Raum noch in diesem Jahr erwartet. In den USA könnte die Notenbank Fed ebenfalls Signale in Richtung tieferer Zinsen geben. Die Entscheidung wird am Mittwochabend erwartet.

Der Dax drehte nach dem Auftritt von Draghi ins Plus und gewann mehr als 1,2 Prozent. Der Euro gab nach, die Gemeinschaftswährung notierte mit 1,1189 Dollar 0,3 Prozent schwächer. Am Anleihemarkt fiel die Rendite der deutschen Bundesanleihe auf ein Rekordtief von minus 0,306 Prozent. "Draghi macht damit verbal einen weiteren wichtigen Schritt, um die Werkzeugkiste der unkonventionellen Maßnahmen im späteren Jahresverlauf erneut zu öffnen - erste Wahl wäre wohl eine Leitzinssenkung", kommentierte Elmar Völker, Anleihen-Analyst beim Bankhaus LBBW. Am Geldmarkt rechnen Investoren bereits fest mit einer Zinssenkung bis Ende Dezember. Anfang April war dort die Wahrscheinlichkeit noch auf lediglich zehn Prozent taxiert worden.

Die Indikatoren für die kommenden Quartale deuteten auf eine anhaltende Konjunkturschwäche hin, sagte Draghi. "In den nächsten Wochen wird der EZB-Rat überlegen, wie unsere Instrumente entsprechend der Größe des Risikos für die Preisstabilität angepasst werden können." Die EZB werde eine anhaltend niedrige Inflation nicht akzeptieren. Es gebe erheblichen Spielraum für weitere Anleihenkäufe. Zudem gehörten erneute Zinssenkungen und Maßnahmen, um unerwünschte Nebenwirkungen der anhaltend ultralockeren Geldpolitik einzudämmen, zu den Instrumenten. In der Notenbank wird derzeit die Möglichkeit diskutiert, den Banken mit gestaffelten Einlagezinsen unter die Arme zu greifen, um die Folgen der jahrelangen Negativzinsen abzumildern. Die nächste Zinssitzung der EZB ist am 25. Juli.

Die Euro-Notenbank hält ihren Leitzins bereits seit März 2016 auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Ihr Einlagensatz ist seit 2014 negativ. Seitdem müssen Geldhäusern Strafzinsen zahlen, wenn sie über Nacht überschüssige Gelder bei der Notenbank horten. Der Satz liegt inzwischen bei minus 0,4 Prozent. In Deutschland klagen Banken schon seit längerem, dass dies an ihren Gewinnen zehrt. Sie fordern ein Ende der Negativsätze.

Die EZB hatte Anfang Juni auf ihrer Zinssitzung wegen gestiegener Konjunktursorgen bereits die Wende hin zu einem Anstieg der Zinsen erneut verschoben. Sie wolle nun an ihren Schlüsselsätzen noch bis mindestens zum Sommer 2020 nicht zu rütteln, hieß es. Bislang galt das nur bis Ende 2019. Damit traf sie bereits Beschlüsse, die bis in die nächste Präsidentschaft hineinreichen. Denn Draghis Amtszeit an der Spitze der Euro-Notenbank läuft Ende Oktober nach acht Jahren ab. Nach dem Treffen hatte der EZB-Chef aber auch betont, man halte sich angesichts der konjunkturellen Unsicherheit alle Optionen offen.

Sorgen bereitet den Währungshütern unter anderem die jüngste Schwäche der Industrie im Euro-Raum. Zudem dämpfen die US-Handelskonflikte und die anhaltende Brexit-Hängepartie die Konjunkturaussichten. Dazu hat sich die Inflationsrate zuletzt wieder deutlich von der EZB-Zielmarke von knapp unter zwei Prozent entfernt, die die Notenbank als Idealwert für die Wirtschaft anstrebt. Im Mai lag die Teuerung gerade einmal bei 1,2 Prozent nach 1,7 Prozent im April. Das ist die bislang niedrigste Rate in diesem Jahr.

An den Märkten gehen Investoren inzwischen nicht mehr davon aus, dass die EZB in den nächsten Jahren ihr Inflationsziel erreichen wird. Das für die EZB-Geldpolitik wichtige Barometer Five-Year-Five-Year-Forward<EUIL5YF5Y=R< war am Montag auf ein Allzeittief von 1,1275 Prozent gefallen. Investoren erwarten demnach, dass die Teuerung ab 2024 über einen Zeitraum von fünf Jahren lediglich bei eben 1,1275 Prozent liegen wird. Die EZB verfehlt ihr Ziel bereits seit Frühjahr 2013.

Derweil hat US-Präsident Donald Trump die Europäische Zentralbank scharf für ihre Geldpolitik kritisiert. „Mario Draghi hat gerade angekündigt, dass weiterer Stimuli kommen könnte, was den Euro gegenüber dem Dollar sofort fallen ließ“, schrieb Trump am Dienstag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Dies mache es „ihnen“ - vermutlich den Euroländern - zu Unrecht leichter, gegen die USA im Wettbewerb anzutreten. „Damit kommen sie seit Jahren durch, zusammen mit China und anderen“, ergänzte er.

Trump ist seit längerem als Kritiker der amerikanischen Notenbank Fed bekannt. Dagegen hat er sich gegenüber Zentralbanken anderer Länder bisher eher zurückgehalten. Vor wenigen Tagen hatte Trump vielmehr die Fed für den aus seiner Sicht zu starken Dollar verantwortlich gemacht und den Währungshütern unterstellt, dass sie keine Ahnung von ihrem Job hätten.

(felt/Reuters/dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort