Neue Studie Die Energiearmut erreicht die Mittelschicht

Köln · Einer aktuellen Studie zufolge steigt das Risiko der sogenannten Energiearmut für Verbraucher in Deutschland rasant an. Knapp 25 Prozent aller bundesweiten Haushalte gaben im Mai 2022 mehr als zehn Prozent ihres Nettoeinkommens für Energie aus.

 Ein Mann dreht in einer Wohnung am Thermostat einer Heizung (Symbolbild).

Ein Mann dreht in einer Wohnung am Thermostat einer Heizung (Symbolbild).

Foto: dpa/Hauke-Christian Dittrich

Das geht aus einer am Sonntag veröffentlichten Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hervor. Ein Jahr davor sei das nur bei 14,5 Prozent der Haushalte der Fall gewesen. Sobald ein Haushalt mehr als zehn Prozent seines Nettoeinkommens für Energie ausgibt, gilt er als „energiearm“.

Von den steigenden Energiekosten infolge des Ukraine-Krieges sind laut IW-Studie insgesamt Haushalte aus allen Einkommensschichten betroffen. Die Belastung fällt demnach jedoch unterschiedlich stark aus: Je höher das Einkommen, desto niedriger ist der Anteil, der für Energie fällig wird. Ein energiearmer Haushalt gibt derzeit pro Person im Jahr durchschnittlich 206 Euro für Energie aus

Mittlerweile belasteten die hohen Preise längst nicht mehr nur Haushalte mit niedrigerem Einkommen, sagt IW-Ökonom Ralph Henger. „Energiearmut betrifft auch die Mittelschicht.“ So lasse sich in der unteren Mittelschicht beobachten, dass der Anteil der sogenannten energiearmen Haushalte ansteige. Das betrifft laut Henger Haushalte, die zwischen 60 und 80 Prozent des Medianeinkommens verdienen. Zwischen 2021 und Mai 2022 verdoppelte sich der Anteil der energiearmen Haushalte in dieser Einkommensklasse auf knapp 41 Prozent, wie die Untersuchung ergab.

Haushalte unter der Armutsrisikogrenze, die also weniger als 60 Prozent des mittleren Haushaltseinkommens zur Verfügung haben, sind nach wie vor besonders betroffen, wie es weiter hieß. 65 Prozent dieser Haushalte gelten demnach als energiearm. Verglichen mit dem Vorjahr sei das ein Anstieg um 16 Prozentpunkte. Um ihre Strom-, Gas- und Ölrechnungen zu bezahlen, seien viele dieser Haushalte zukünftig auf Unterstützung angewiesen.

Die IW-Forscher plädierten vor allem für zielgerichtete Hilfen für Haushalte, die knapp oberhalb der Grundsicherungsgrenze stehen. Viele Maßnahmen der beiden Entlastungspakete, wie die Abschaffung der EEG-Umlage zum 1. Juli, würden diese Gruppe am stärksten entlasten. Darüber hinaus sollten diejenigen, die Wohngeld und in den nächsten Monaten einen einmaligen Heizkostenzuschuss erhalten, mehr Leistungen erhalten, forderte Henger. „Eine dauerhafte und flexibel anpassbare Heizkostenpauschale im Wohngeld, wie in den Jahren 2009 und 2010, kann einkommensschwache Haushalte gezielt und dauerhaft unterstützen.“

Scholz will explodierende Gaspreise durch Staatshilfe verhindern

Angesichts der Drosselung der russischen Gaszufuhr nach Deutschland will Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine drohende Preisexplosion durch staatliche Stützungsmaßnahmen verhindern. Auf die Frage, ob eher Gasversorger oder eher Verbraucherinnen und Verbraucher geholfen werden solle, sagte Scholz am Sonntag im ARD-Sommerinterview im „Bericht aus Berlin“: „Ich glaube, dass es wichtig ist, dass man auf beiden Feldern aktiv ist.“

Dies geschehe bereits. Staatliche Kredite an Versorger trügen dazu bei, „dass die Preise noch nicht durchgeschlagen sind“. Mit Blick auf den in Not geratenen größten deutschen Gasimporteur Uniper sagte Scholz: „Wir prüfen jetzt mit dem Unternehmen zusammen, was man tun kann.“

Scholz verwies auf die Lufthansa, die in der Corona-Krise mit Regierung und EU-Kommission ein neun Milliarden Euro schweres Rettungspaket ausgehandelt hatte. „Wir haben in der letzten Krise sehr genaue Instrumente entwickelt, wie man Unternehmen, die unter Druck geraten durch Umstände, die sie nicht selbst zu verantworten haben, stützen kann, auch so große“, sagte er. „Das haben wir gemacht, Beispiel Lufthansa.“ Nun werde diskutiert, was das Beste sei, um sicherzustellen, dass die Gasversorgung nicht leide, weil ein wichtiges Unternehmen sein Geschäft nicht fortsetzen könne.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte am Samstagabend bei einer Veranstaltung der „Zeit“ vor einer möglichen „Preisexplosion“ bei einigen Stadtwerken gewarnt. So weit kann es nach Habecks Angaben kommen, wenn Russland kein Gas mehr über die Gaspipeline Nord Stream 1 liefert und der Bund es großen Versorgern wie Uniper erlaubt, die Preise an ihre Kunden weiterzugeben, etwa Stadtwerke.

(felt/epd)
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