Wie geht es weiter in der Schuldenkrise? Europas Schicksal liegt in italienischen Händen

Frankfurt (RPO). Die Finanzmärkte riefen bereits nach der alles vernichtenden Waffe, der "Bazooka". Die Beschlüsse vom Brüsseler Gipfel lassen das Geschrei zunächst verstummen. Ob es wieder anschwillt, hängt vor allem an den Italienern. Berlusconi muss zeigen, was seine Versprechen wert sind. Andernfalls müsste ein Landsmann von ihm wohl doch als Brandlöscher ausrücken.

Auf den ersten Blick sieht die Europäische Zentralbank (EZB) wie der Sieger des Euro-Gipfelgetümmels aus. Sie wird nicht noch stärker Teil der Lösung der Schuldenkrise und auch nicht zum Geldgeber des Rettungsfonds EFSF - obwohl lange Zeit von Frankreich so gewünscht.

Insofern dürften die Notenbanker bis auf weiteres wohlwollend, um nicht zu sagen dankbar nach Berlin blicken: Dem deutschen "Nein" ist es zu verdanken, dass der offensichtliche politische Druck auf die Währungshüter nicht noch größer wurde. Doch aus dem Schneider ist die EZB nach dem Brüsseler Krisengipfel keineswegs.

Sie bleibt auch nach dem Gipfelmarathon die Feuerwehr am Main. Ob sie das europäische Haus eines Tages doch löschen muss, hängt maßgeblich von den Italienern ab - vom neuen italienischen EZB-Chef Mario Draghi und noch viel mehr von seinen Landsleuten.

"Sollte Italien wackeln, dann wird auch die Billion, auf die der Rettungsschirm jetzt aufgepumpt wird, nicht mehr reichen. Es hängt an der Politik in Rom, ob der Gipfel ein Erfolg wird und die EZB aufhören kann Staatsanleihen zu kaufen", sagt etwa ein enger Vertrauter von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, der nicht namentlich genannt werden will.

Sollbruchstellen

Zwar hat das Land in einem Brief an seine europäischen Partner Reformen und Sparmaßnahmen angekündigt. Doch Regierungschef Silvio Berlusconi wankt und er muss erst beweisen, dass er den Haushalt ernsthaft sanieren will und kann. Die Sollbruchstellen des Euro-Deals liegen also in Rom und Frankfurt zugleich: "Denn wenn es wirklich hart auf hart kommt, wird die EZB am Ende doch wieder als letzter Kreditgeber einspringen müssen", gießt Postbank-Chefökonom Marco Bargel Wasser in den Gipfel-Wein.

Mit anderen Worten: Wenn der Billionen-Schirm nicht mehr den Regen abhält, müsste schlussendlich doch wieder die Notenpresse wenigstens für trockene Füße sorgen. Für die Deutschen eine Horrorvorstellung. Und eigentlich auch für Mario Draghi, den künftigen starken Mann der EZB. Nicht wenige Experten sehen angesichts der Misere Italiens dessen Landsmannschaft inzwischen nicht mehr als Problem, sondern als Teil der Lösung. "Zu hoffen wäre, dass zwischen Rom und der EZB in Frankfurt ein kurzer Draht besteht, für den Fall der Fälle", heißt es in der Bundesbank. Allerdings: Silvio Berlusconi gilt nicht gerade als Fan des neuen EZB-Präsidenten.

Achse Frankfurt-Rom

Der gewiefte Taktiker Draghi hatte sich noch kurz vor dem Gipfel alle Optionen offen gelassen. Zwar spielte er den Ball für die Krisenlösung zur Politik, machte aber zugleich ein Angebot: "Die EZB ist entschlossen, auch mit unkonventionellen Maßnahmen dafür zu sorgen, dass die Probleme auf den Finanzmärkten die Geldversorgung nicht beeinträchtigen und die geldpolitischen Impulse in der Wirtschaft ankommen." Wörtlich nannte Draghi nur die Liquiditätsunterstützung für die Banken und das erneut aufgelegte Kaufprogramm für Pfandbriefe. Zum umstrittenen Staatsanleihenkaufprogramm schwieg er.

Dennoch glaubt kaum ein EZB-Beobachter, dass es nicht auch gemeint war. Commerzbank-Ökonom Michael Schubert: "Er hat die Tür offen gelassen dafür." Schubert glaubt nicht, dass die EZB nun dem aufpolierten, schlagkräftigeren Rettungsfonds das Feld alleine überlassen kann, wie es sich die Deutschen und an vorderster Front Bundesbank-Chef Weidmann wünschen: "Es wird einen Mittelweg geben. Man kann nicht sofort von eins auf null springen." Fast 170 Milliarden Euro hat die EZB bislang in den Kauf griechischer, irischer, portugiesischer, italienischer und spanischer Anleihen gesteckt. Das ist viel Geld. Doch schwerer wiegt der dadurch entstandene Riss im EZB-Rat und der schwere Vertrauensverlust in der (deutschen) Öffentlichkeit.

"Harte Arbeit"

Für die Euro-Zone und ihre Zentralbank war der Brüsseler Krisengipfel alleine schon deshalb nur eine Etappe. Der scheidende EZB-Präsident Jean-Claude Trichet gab noch in der Nacht vielleicht zum letzten Mal die Richtung vor: "Kein Grund für Selbstzufriedenheit. Noch viel harte Arbeit bleibt zu tun, harte Arbeit." Die wird sein Nachfolger Draghi zu erledigen haben. Draghis erster Arbeitstag im EZB-Hauptquartier ist der kommende Dienstag. Schon zwei Tage später trifft sich der EZB-Rat zum ersten Mal unter seiner Ägide, um über den Leitzins für die 17 Euro-Länder zu entscheiden. Ganz oben auf der Agenda stehen freilich der Gipfel und seine Folgen.

(RTR/pst)
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