Richter verhandeln über Milliardenhilfen Euro-Rettung vor Gericht

Karlsruhe (RP). An diesem Dienstag verhandelt das Bundesverfassungsgericht die Beschwerden von Peter Gauweiler, Joachim Starbatty und anderen gegen die Hilfen für Athen. Manche Argumente wiegen schwer. Das weiß auch Schäuble.

 Die Euro-Kritiker (v.l.) Wilhem Hankel, Wilhelm Nölling, Karl Albrecht Schachtschneider und Joachim Starbatty vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe.

Die Euro-Kritiker (v.l.) Wilhem Hankel, Wilhelm Nölling, Karl Albrecht Schachtschneider und Joachim Starbatty vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe.

Foto: dpa

Man könnte die Herren, deren Beschwerden heute ab 10 Uhr vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt werden, für unbelehrbare Querulanten halten. Seit nunmehr 20 Jahren kämpfen sie gegen die Währungsunion: der Ökonomie-Professor Joachim Starbatty, der Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider, der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler und der frühere Thyssen-Chef Dieter Spethmann. Immer wieder zogen sie allein oder mit anderen vor das höchste deutsche Gericht. Mal klagten sie gegen die Euro-Einführung, mal gegen die EU-Verfassung und mal gegen den Maastricht-Vertrag, der Grenzen für die Verschuldung vorschreibt. Immer wieder entschieden die Richter gegen sie. Sie nahmen die vielen Verfassungsbeschwerden gar nicht erst an oder wiesen sie zurück. Dieses Mal ist alles anders.

Dieses Mal richten sich die Beschwerden der streitbaren Juristen und Ökonomen gegen die Griechenland-Hilfe und den Euro-Rettungsschirm. Und dieses Mal nahm das Gericht die Beschwerden an, was die Kläger als einen ersten Erfolg werten. Auch in Berlin wird die Sache ernst genommen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will heute selbst in Karlsruhe sein, um die Rettung für klamme Euro-Staaten zu verteidigen. Sogar die Kanzlerin habe zunächst eine Teilnahme erwogen, sagte eine Gerichts-Sprecherin.

Die Beschwerdeführer bringen diverse Argumente vor. Manche wiegen schwer, andere weniger. Eine Einordnung.

Die Haftung der Staaten füreinander ist verboten.

Im Mai 2010 hat der Bundestag die Griechenland-Hilfe verabschiedet. Das "Gesetz zum Erhalt der Zahlungsfähigkeit der Hellenischen Republik" sieht vor, dass Deutschland Kredite an Athen mit Garantien von 22 Milliarden Euro absichert. Das ist Teil des ersten, 110 Milliarden Euro schweren Rettungspaketes für Griechenland.

Darin sehen die Beschwerdeführer einen klaren Verstoß gegen den Lissabon-Vertrag, den sich die EU gegeben hat. In der Tat verbietet dieser in seinem berühmten Artikel 125, dass ein Land für ein anderes finanziell einspringt ("No-Bail-out-Klausel"). Wörtlich heißt es dort: "Ein Mitgliedstaat haftet nicht für die Verbindlichkeiten eines anderen Mitgliedstaates." Diese Klausel soll verhindern, dass Euro-Länder mit Blick auf fremde Hilfe hemmungslos Schulden machen.

Manche Juristen meinen nun, dass die Klausel nur sagt, dass ein Land einem anderen Land nicht helfen muss, wohl aber freiwillig helfen darf. Schließlich könne es einem souveränen Staat nicht verboten werden, andere zu unterstützen. Mit dem Argument der Freiwilligkeit hatte die Regierung sich bereits vor einem Jahr verteidigt, als die Debatte um die "No-Bail-Out-Klausel" erstmals entbrannte. Ob sie mit diesem Argument auch in Karlsruhe obsiegt, ist offen.

Das Haushalts-Recht des Bundestags wird ausgehöhlt.

Weil die Schulden-Krise vor einem Jahr auch andere Länder erfasste, spannten die Euro-Länder zusätzlich einen bis 2013 befristeten Rettungsschirm (EFSF) über 250 Milliarden Euro auf, den bereits Irland und Portugal brauchen. Der Bundestag ermächtigte das Finanzministerium in diesem Zusammenhang dazu, für Hilfskredite an klamme Staaten in Höhe von 147 Milliarden Euro zu bürgen.

Damit werde die Währungsunion zu einer Transferunion, in der die Starken die Schwachen stützen müssen, fürchten die Kläger. Das passe nicht zur "No-Bail-Out-Klausel" — und höhle die Haushalts-Autonomie des Parlaments aus, so das Argument der Kläger. Denn wenn der schlimmste Fall einträte und Deutschland auf einen Streich für 147 Milliarden bürgen müsste, wäre die Hälfte des Bundeshaushalts gebunden. Damit gebe es dort keinen Spielraum mehr. In der Tat gilt es traditionell als Königsrecht des Parlamentes, über Einnahmen und Ausgaben des Staates zu entscheiden.

Die Juristen der Bundesregierung wenden allerdings ein, dass der Bundestag freiwillig und höchstselbst die Garantien gewährt hat und damit selbst auf künftigen Spielraum verzichtet hat.

Die Euro-Rettung bedroht deutsches Eigentum.

Wie bei allen Geld-Fragen, die in Karlsruhe landen, berufen sich die Beschwerdeführer auch dieses Mal auf Artikel 14 des Grundgesetzes (Schutz des Eigentums). Diesen Artikel sehen sie verletzt, weil die Hilfen für andere Länder möglicherweise die Inflation in Deutschland treiben, was Sparguthaben, Renten und Gehälter entwertet.

Dieses Argument gilt als das schwächste der Kläger. Manche Juristen meinen, dass Artikel 14 zwar das Geldvermögen der Bürger schützt, nicht aber den Wert des Geldvermögens. Zudem ist es am Ende die Europäische Zentralbank, die mit ihrer (Zins-)Politik entscheidet, ob es Inflation gibt oder nicht. Mit dem Verweis auf Artikel 14 waren die streitbaren Professoren schon einmal in Karlsruhe nicht durchgedrungen. 1998 hatten sie argumentierte, der Euro an sich gefährde die Geldstabilität. Das Gegenteil war der Fall: Die Inflationsrate zu Euro-Zeiten lag bislang unter der, den die Bundesbank im Schnitt zu Mark-Zeiten erreichte hatte.

Ein Urteil in dem brisanten Prozess wird für den Herbst erwartet. Es geht um eine Schicksalsfrage, wie die Kanzlerin gerne formuliert. Falls Karlsruhe die Griechenland-Hilfe des größten Geldgebers Deutschland tatsächlich stoppen sollte, würde Athen ungeordnet in die Pleite rutschen. Eine erneute globale Finanzkrise wie nach der Pleite der Lehman-Bank würde drohen. Kaum vorstellbar, dass die Verfassungsrichter das riskieren.

Es ist aber sehr wohl denkbar, dass sie Auflagen machen. So könnten sie den Klägern folgen und die Bundesregierung vergattern, sich für jede einzelne Tranche ihrer Hilfe erneut die Zustimmung des Bundestages zu holen. Das würde immerhin das Budgetrecht des Parlamentes wieder stärken.

(RP)
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