Neue Debatte über Altersarmut Die Wahrheit über unsere Rente

Düsseldorf · In Deutschland ist die Debatte über die Höhe der gesetzlichen Rente neu entfacht. Berechnungen des Bundesarbeitsministeriums zufolge könnten Millionen Renter in Altersarmut fallen. Wir klären die wichtigsten Fragen und Antworten zu unserer Rente.

13 Fakten zu Hartz IV
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Foto: dpa, Oliver Berg

Wann ist in Deutschland das gesetzliche Rentenalter erreicht?

Bis 2011 lag das gesetzliche Rentenalter bei 65 Jahren. Zu Jahresbeginn 2012 hat der schrittweise Einstieg in die Rente mit 67 begonnen. Wer also in diesem Jahr seinen 65. Geburtstag feiert, muss einen Monat länger arbeiten, um eine Rente ohne Abzug zu bekommen. Jahr für Jahr erhöht sich dann das Rentenalter bis 2023 um zunächst einen Monat, danach im Zwei-Monats-Rhythmus. Im Jahr 2029 liegt das gesetzliche Rentenalter schließlich bei 67 Jahren. Die ersten, die bis 67 für eine Rente ohne Abschläge arbeiten müssen, sind die 1964 Geborenen.

Warum ist eine neue Renten-Debatte entfacht?

Berechnungen des Bundesarbeitsministeriums hatten ergeben, dass Arbeitnehmern, die weniger als 2500 brutto im Monat verdienen und 35 Jahre Vollzeit gearbeitet haben, ab 2030 eine Rente unterhalb von 688 Euro droht. Wer 2700 Euro brutto verdient, bekommt den Angaben zufolge gerade einmal 743 Euro, bei einem Monatseinkommen von 2900 liegt die Rente bei 798 Euro.

Was erhalten Rentner aktuell an monatlichen Pensionen?

Die Höhe der gesetzlichen Rente hängt in erster Linie von den versicherungspflichtigen Jahren und der Höhe des Einkommens und der Beiträge ab. Eine Richtgröße ist 50 bis 68 Prozent des durchschnittlichen Nettoentgeltes. Den Spitzensatz von 68 Prozent erreichen die Beitragszahler, die 45 Jahre im Durchschnitt aller Versicherten gearbeitet haben.

Warum droht vielen Beschäftigten Altersarmut?

Grund ist die schrittweise Senkung des Rentenniveaus von derzeit 51 auf 43 Prozent des durchschnittlichen Nettolohns bis 2030 und der demografische Wandel. Die Hoffnung der Bundesregierung, dass diese Absenkung durch staatlich geförderte Privatvorsorge abgefedert wird, hat sich bislang vor allem bei Geringverdienern nicht erfüllt. Gleichzeitig müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ab kommendem Jahr voraussichtlich deutlich weniger Rentenbeiträge zahlen. Laut Kabinettsbeschluss soll ab 1. Januar der Beitragssatz von derzeit 19,6 Prozent auf geplant 19 Prozent sinken. Für Unternehmen und Arbeitnehmer bedeute das eine Entlastung von jeweils 2,7 Milliarden Euro im Jahr.

Wieviele Deutsche verdienen nur 2500 Euro brutto?

Laut Statistischem Bundesamt betrug das Bruttoeinkommen eines Ein-Personen-Haushalts 2010 im Durchschnitt 2282 Euro. Das Durchschnittseinkommen aller deutschen Haushalte betrug 2010 3758 Euro brutto. Allerdings fließen in diese Berechnung nicht nur das Einkommen selbst, sondern auch Einnahmen aus Vermögen und öffentliche Transferzahlungen ein.

Warum könnte auch die Mittelschicht betroffen sein?

Aufgrund dieser Durchschnittswerte warnt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) vor "massenhafter Altersarmut" der breiten Mittelschicht. "Die Senkung des Rentenniveaus wird geradewegs in die massenhafte Altersarmut führen", sagt Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Sollte die Bundesregierung "den Sturzflug des Rentenniveaus" nicht aufhalten, drohe Altersarmut längst nicht nur Geringverdienern". Eine Zuschussrente, wie sie von der Leyen plant, helfe da auch nicht, da die Hürden so hoch seien, "dass sie kaum jemand in Anspruch nehmen kann".

Wie sieht von der Leyens Zuschussrente aus?

Die Zuschussrente soll es nur für diejenigen geben, die jahrzehntelang in die Rentenkasse eingezahlt und - nach 2019 - auch zusätzlich privat fürs Alter vorgesorgt haben. Und die Vorsorge soll nicht mit dem Rentenzuschuss verrechnet werden. Konkret sieht das Modell vor, dass Geringverdiener ihre Altersversorgung auf bis zu 850 Euro aufgestockt bekommen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Eine Entscheidung über die Zuschussrente soll in der nächsten Sitzung des Koalitionsausschusses voraussichtlich Mitte Oktober fallen.

Was kostet der Plan den Beitragszahler?

Die genauen Kosten sind noch nicht absehbar. Philipp Rösler zufolge würde von der Leyens Plan "Milliarden kosten. Dafür haben wir aber kein Geld in der Rentenkasse", sagte der FDP-Chef am Wochenende. Der Bundesvorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, warnte im ZDF davor, der Rentenversicherung eine weitere Sozialleistung aufzubürden. Dadurch würden gerade die jungen Beitragszahler zusätzlich belastet. Der CDU-Abgeordnete Jens Spahn sagte, die Jüngeren müssten "heute schon mehr in die Rentenversicherung einzahlen als jede andere Generation vor ihnen".

Wie hoch ist die Grundsicherung?

Vielen Rentner drohe sonst der Gang zum Sozialamt und die Inanspruchnahme der Grundsicherung, wenn sie nicht zusätzlich private Vorsorge betrieben hätten. Die Grundsicherung entspricht den bereits erwähnten 688 Euro. Der Leistungsumfang entspricht laut Sozialgesetzbuch (SGB) der Hilfe zum Lebensunterhalt der Sozialhilfe (Paragraph 42 SGB XII). Die anspruchsberechtigten Rentner können daher bis zu 359 Euro (Paragraph 28 Abs. 2 SGB XII) sowie Erstattung der Wohn- und Heizkosten beantragen (Paragraph 29 SGB XII).

Wer bekommt die Grundsicherung?

Laut SGB sind alle Menschen anspruchsberechtigt, die in Deutschland angemeldet sind, das 65. Lebensjahr oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und - unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage - aus medizinischen Gründen dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, wenn sie ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können.

Schließt Bar- oder Sparvermögen den Grundsicherungsanspruch aus?

Nein, nach Paragraph 90 des SGB XII können alleinstehende Rentner Ersparnisse von bis zu 2600 Euro einsetzen. Bei nicht getrennt lebenden Ehegatten steigt die Summe auf 3214 Euro.

Welche Gegenmodelle zur Zuschussrente gibt es?

CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn und Junge-Union-Chef Mißfelder verlangten, über eine steuerfinanzierte Grundrente zu diskutieren. Im ARD-Sommerinterview brachte Grünen-Vorsitzende Claudia Roth eine Garantierente ins Gespräch. Der Deutsche Gewerkschaftsbund verlangte, auf die von den Bürgern ohnehin nicht gewollte Senkung des Rentenbeitrags zu verzichten und die Überschüsse in der Rentenkasse zu einer Demografie-Reserve auszubauen. Die bayerische Landtagspräsidentin und CSU-Vizechefin Barbara Stamm zeigte sich offen dafür. "Wir müssen das Thema Mindestlohn auf die Tagesordnung setzen."

(nbe)
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