Euro-Schuldenkrise Die Risiken des Rettungsschirms

(RP). Die neuen Griechen-Milliarden kommen, so viel ist sicher. Die Kanzlerin attestiert dem Land große Fortschritte. Aber: Die geplante Ausweitung des Rettungsschirms EFSF kann Deutschlands Kreditwürdigkeit gefährden. Experten warnen: Deutschland darf seine eigene Wirtschaftskraft nicht überschätzen. Sonst droht auch uns Gefahr.

Die Euro-Rettungsversuche im Überblick
Infos

Die Euro-Rettungsversuche im Überblick

Infos
Foto: AFP

Der Schicksalstag für den Euro und Angela Merkels Regierung rückt näher. Am Donnerstag stimmt der Bundestag über die umstrittene Ausweitung des Euro-Rettungsschirms EFSF ab. Bei Probe-Voten zeichnete sich gestern trotz des jüngsten Koalitionsstreits eine schwarz-gelbe Mehrheit ab. Der Börsenindex Dax zeigte sich enthusiastisch und schoss gestern um 5,3 Prozent hoch — die Märkte wetten auf die Euro-Rettung, seit anderthalb Jahren gab es keinen solchen Kurssprung.

Doch neuer Krach steht ins Haus. Denn Forderungen nach einer erneuten Erhöhung des EFSF-Volumens werden lauter. Diese Hoffnung begeistert zwar die Börse, könnte aber Deutschlands Kreditwürdigkeit gefährden. Wir klären die wichtigsten Fragen.

Was genau ist die sogenannte EFSF?

Die "Europäische Finanzstabilisierungsfazilität" EFSF wurde im Mai 2010 nach dem ersten Rettungspaket für Griechenland aufgebaut, um eine Staatspleite im Euro-Raum zu verhindern. Schuldenländer können gegen Sparauflagen Kredite aus dem Fonds erhalten. Bisher werden Irland und Portugal mit günstigen Krediten der EFSF gestützt. Griechenland soll auch Mittel aus der EFSF bekommen. Das Geld für die Kredite borgt sich der Fonds am Markt. Die Euro-Länder stellen anteilig Garantien bereit.

Wie viel Geld hat der Fonds?

Die EFSF hat derzeit ein Kreditvolumen von 250 Milliarden Euro zur Verfügung. Deutschland garantiert für 123 Milliarden Euro. Es hat sich jedoch gezeigt, dass diese Summe nicht ausreicht, um ein Übergreifen der Krise auf Staaten wie Italien und Spanien zu verhindern. Das Ausleihvolumen soll daher auf 440 Milliarden erhöht werden. Dafür sind Garantien in Höhe von 780 Milliarden Euro nötig. Deutschlands Garantieanteil steigt von 123 auf 211 Milliarden Euro.

Was wird noch geändert?

Der Fonds soll Staatsanleihen von Schuldenländern aufkaufen können — sowohl direkt als auch von Investoren. Diese Käufe macht derzeit die Europäische Zentralbank (EZB). Zudem soll die EFSF Staaten künftig nicht erst bei akuten Krisen, sondern zur Beruhigung der Märkte auch vorsorglich Kreditlinien bereitstellen dürfen — so ähnlich wie bereits der Internationale Währungsfonds. Ferner soll die EFSF Darlehen an Länder vergeben, mit denen diese ihre Banken stützen.

Reicht die EFSF-Aufstockung, um die Schuldenkrise zu überwinden?

Nach Einschätzung von Finanzexperten reichen die 440 Milliarden Euro bei weitem nicht, um die Schuldenkrise nachhaltig zu lösen. Zieht man von der Summe die bereits bewilligten Rettungspakete für Irland, Portugal und Griechenland ab, verbleibt eine Kapazität von 333 Milliarden Euro. Italien oder Spanien könnten damit nicht ausreichend gestützt werden.

Wie könnte der Rettungsschirm noch größer werden?

Die EFSF-Finanzkraft könnte über einen Kredithebel erweitert werden. Die EFSF könnte eine eigene Banklizenz erhalten. Sie dürfte dann nicht nur selbst Anleihen kaufen, sondern könnte diese wie andere Banken als Sicherheiten für frisches Geld bei der Notenbank hinterlegen. Mit dieser unbegrenzten Kreditlinie könnte der Fonds ständig neue Schuldtitel kaufen.

Welche Risiken würden dadurch für Deutschland erwachsen?

Im Falle einer Staatspleite wäre die Haftungssumme für die Gläubiger um ein Vielfaches größer als nach bisherigem Stand. Die Ratingagentur Standard & Poor's hat daher bereits gewarnt, dass eine solche massive weitere Ausweitung der EFSF Deutschlands Top-Rating AAA gefährden könnte. Ein S&P-Experte sagte, Berlin dürfe seine Wirtschaftskraft nicht überschätzen.

Ist der erweiterte Rettungsschirm nach dem Votum des Bundestags in trockenen Tüchern?

Nein. Alle 17 Euro-Länder müssen "Ja" sagen. Bislang haben erst die Parlamente von sieben Ländern zugestimmt.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort