Griechenland-Misere "Die Pleite ist nur aufgeschoben"

Brüssel (RP). Das in Aussicht gestellte Rettungs-Paket für Griechenland ist nach Ansicht des renommierten Ökonomen Daniel Gros erst der Anfang. Die Gefahr der Staatspleite sei nicht gebannt, meint der Chef der Brüsseler Denkfabrik Centre for European Policy Studies (Ceps).

2010: So funktioniert die Griechenland-Nothilfe
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Foto: AP

Reicht das in Aussicht gestellte 45-Milliarden-Paket von EU und IWF, um Athen vor der Staatspleite zu retten?

Gros Nein. Es gewährt allenfalls eine Atempause. Wenn in Athen keine 100-prozentige Kehrtwende zu einem rigiden Sparkurs stattfindet, ist die Pleite aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. In den nächsten drei Jahren braucht Athen mindestens 150 Milliarden Euro.

Berlin gibt 2010 gut acht Milliarden Hilfe. Wie teuer kann das noch für Deutschland werden?

Gros Das Gesamtvolumen der Kredithilfen für Athen kann am Ende für Deutschland leicht bei 30 bis 40 Milliarden Euro liegen. Angenommen die Krise springt auf Wackel-Kandidat Spanien über, ist auch schnell das Fünffache erreicht.

Die Risikoprämien für griechische Staatsanleihen steigen auf immer neue Höchststände. Was kann die Politik gegen die Spekulanten ausrichten?

Gros Wenig. 90 Prozent der Verschärfung an den Finanzmärkten hat damit zu tun, dass Griechenlands Sparanstrengungen nicht glaubhaft sind. Die griechische Regierung muss einen nationalen Not-Pakt mit Gewerkschaften und Opposition schließen: Der muss neben der fiskalischen Seite eine Lohnkosten-Senkung von zehn Prozent und Kürzungen der Sozialleistungen von bis zu 20 Prozent enthalten. Daran müssen die Hilfen von EU und IWF geknüpft werden. Sonst sind sie ein Fass ohne Boden.

Ist die Währungsunion in Gefahr?

Gros Ja. Sie braucht dringend einen Europäischen Währungsfonds, der es ihr erlaubt, die Pleite eines Mitgliedsstaates ohne Gefahr für den Euro zu verkraften. Bisher ist das nicht der Fall. Die Euro-Partner können die Hilfe de facto nicht verweigern, ohne die Währungsunion zu gefährden.

Was wäre mit dem Europäischen Währungsfonds anders?

Gros Die Pleite als reales Droh-Szenario zwingt die klammen Länder zu überzeugenden Sparprogrammen. Die Plan-Insolvenz wäre für die Investoren verkraftbar, weil Staatsanleihen des entsprechenden Landes nicht mit einem Schlag illiquide und wertlos würden. Der europäische Währungsfonds würde die Schulden eines Pleite-Landes mit Abschlag aufkaufen. Die Gläubiger bekämen etwa 60 oder 70 Prozent ihres Geldes zurück.

Birgt ein Hilfs-Fonds nicht die Gefahr, dass die Euro-Zone zur Transferunion für klamme Staaten mit Zahlmeister Deutschland wird?

Gros Gerade nicht. Der Fonds ist die beste Möglichkeit, deutsche Interessen zu schützen. Denn die größten Schuldensünder müssten am meisten einzahlen. Je weiter Staaten vom erlaubten Drei-Prozent-Defizit-Kriterium im Stabilitätspakt und von den 60 Prozent Gesamtverschuldung entfernt sind, desto mehr müssten sie leisten.

Das Interview führte Anja Ingenrieth

(RP)
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