Wirtschaftsregierung für Europa Die Märkte reagieren misstrauisch

Brüssel (RPO). Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy versuchen mit einem ehrgeizigen Drei-Punkte-Plan die Schuldenkrise in den Griff zu bekommen. Den Börsianern sind die europäischen Visionen offenkundig zu schwammig. Der Euro verlor an Wert. Die Opposition spricht von einem Etikettenschwindel.

 Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, fordert Aufklärung in Bezug auf die Bilanzfehler bei der HRE.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, fordert Aufklärung in Bezug auf die Bilanzfehler bei der HRE.

Foto: ddp

Die Reaktionen an den Finanzmärkten glichen zunächst einem Zick-Zick-Kurs. Während der Bekanntgabe stieg der Euro kurzfristig auf ein Tageshoch, ließ daraufhin aber nach. Nachbörslich gab der so genannte Late Dax kräftig nach und schlitterte über 100 Punkte in den Keller, wie ein ZDF-Reporter am späten Abend berichtete.

Am Mittwochmorgen setzte sich der Trend fort. Der Euro verlor an der Börse in Tokio an Wert. Die europäische Gemeinschaftswährung wurde an der wichtigsten asiatischen Börse am Mittwochvormittag für 1,4352 Dollar gehandelt. Bei Börsenschluss in New York am Dienstagabend hatte der Kurs des Euro noch bei 1,4406 Dollar gelegen.

Zu vage, zu langfristig

Als Reaktion auf die europäische Schuldenkrise hatten Merkel und Sarkozy nach ihrem Treffen am Dienstagabend die Schaffung einer Wirtschaftsregierung im Euroraum vorgeschlagen. Zudem forderten die beiden Politiker Schuldenbremsen in den Verfassungen aller Eurostaaten und schlugen eine Steuer auf Finanztransaktionen vor.

Politisch sind das bemerkenswert mutige Ankündigungen. Mehr aber eben auch nicht. Die Finanzmärkte haben mit Willenbekundungen aus Europa aber schlechte Erfahrungen gemacht. Zu unsicher, zu vage und alles noch nicht umgesetzt. Im Hinterkopf dürfte mancher Börsianer dabei haben, dass Merkel und Sarkozy ihre Vorschläge erst noch die euroäischen Partner von ihren Vorstellungen überzeugen müssen, Staaten wie Griechenland und Italien, aber auch kleine Länder davon wenig begeistert seien dürften.

Lediglich die Einführung von Eurobonds, gemeinsamen europäischen Anleihen mit langfristig zweifelhafter Wirkung, hätte die Märkte wahrscheinlich zu einem positiveren Urteil bewegen können. Das aber kam für Merkel nicht in Frage. Aus deutschen finanzpolitischen Eigeninteressen, aber auch um die eigene Koalition nicht zu gefährden. Der Partner FP hatte mehr oder minder unverhohlen mit dem Bruch gedroht, sollte die Kanzlerin bei den Eurobonds schwächeln.

Massive Kritik aus der Opposition

Die von Merkel und Sarkozy vorgeschlagenen Neuerungen ernteten bei der politischen Opposition ein harsches Urteil. "Wir brauchen wieder ein Primat der Politik", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, unserer Redaktion. "Diese Regierung hechelt den Ereignissen auf den Finanzmärkten weiterhin hinterher."

Oppermann forderte die Einführung von Eurobonds. Zu einem "Gesamtmix aus intelligenten Maßnahmen" gehörten "Eurobonds, bei denen die Gemeinschaft für einen Teil der Schulden eines Eurolandes unter strengen Auflagen einsteht". Für den Rest müssten die Euroländer selber geradestehen. Oppermann fordert, die Einführung von Eurobonds müssten verbunden werden mit "einer Finanztransaktionssteuer, einer echten Gläubigerbeteiligung und einem Europäischen Modernisierungs- und Wachstumsprogramm".

Steinmeier ruft nach dem Feuerlöscher

Es sei "fatal", dass Merkel und Sarkozy vor einem gemeinsamen Gipfel miteinander vereinbart hätten, nicht über die Frage der Ausgabe von Eurobonds zu sprechen, sagte Steinmeier. Dies sei "die wichtigste Frage, die gegenwärtig in ganz Europa diskutiert" werde, um eine Lösung der Refinanzierungskrise überschuldeter Staaten zu finden. Dass das Thema gemeinsamer Anleihen der Euro-Staaten ausgeklammert worden sei, sei ein Zugeständnis Merkels an den Koalitionspartner FDP, der Eurobonds strikt ablehnt, um den Koalitionsfrieden zu wahren. Bei Sarkozy sei dagegen "sehr deutlich durchzuhören" gewesen, dass er Eurobonds für die Zukunft nicht ausschließe, sagte Steinmeier.

"Etikettenschwindel"

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) lobte die vorläufige Absage Merkels und Sarkozys an gemeinsam begebene Anleihen der Länder der Euro-Zone, sogenannte Eurobonds. Dies sei ein gutes Signal, sagte Rösler in den ARD-"Tagesthemen". Eurobonds wären der absolut falsche Weg. Auf die Frage, ob er Eurobonds für so lange ausschließe, wie die FDP an der Regierung beteiligt ist, sagte Rösler, die Fraktionen von Union und FDP hätten Eurobonds bereits abgelehnt. Außerdem werde man sich für einen anderen Weg einsetzen, den auch das Treffen in Paris bestätigt habe - eine "Stabilitätsunion" mit einer Schuldenbremse in den Verfassungen aller Euro-Staaten. Deren Umsetzung werde nicht einfach. Er sei aber sicher, dass sie gelingen werde.

Barroso begrüßt Vorschläge

Die bevorstehenden Herausforderungen hätten deutlich gemacht, dass eine gemeinsame Währung auch eine gemeinsame Verantwortung und eine engere Koordination der Wirtschaftspolitik erfordere, erklärten sie. Der Ruf nach einer Schuldenbremse in den Verfassungen der einzelnen Eurostaaten sei eine starke politische Verpflichtung auf eine langfristige Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen, erklärten Barroso und Rehn. Eine Finanztransaktionssteuer schließlich sei ein wichtiges Instrument um sicherzustellen, dass der Finanzsektor einen gerechteren Beitrag zu den öffentlichen Kassen leiste. Die EU-Kommission werde dazu bald einen Vorschlag vorlegen.

(apd/RTR/awei)
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