Streit um EU-Wirtschaftsregierung Die bröckelnde Bastion der Kanzlerin

Berlin/Brüssel (RPO). Die EU war ihr Anker in turbulenten Regierungszeiten. Doch nun bröckelt das Ansehen von Kanzlerin Angela Merkel auch dort nach und nach. Vor allem der Streit mit Frankreich trägt dazu bei. Und so muss sich Merkel beim heutigen Treffen mit Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy klar durchsetzen, um weiter ein Fels in der Brandung zu sein.

Zitate aus Merkels Erklärung zur Euro-Krise
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Foto: ddp


Es ist das traditionelle deutsch-französische Treffen vor einem Europäischen Rat, das Angela Merkel und Nicolas Sarkozy am Montagnachmittag in Berlin absolvieren. Doch diesmal scheint alles anders. Die unterschiedlichen Ansichten darüber, wie Europa die Krise bewältigen soll, sind enorm - auch wenn beide Regierungen nach außen den Anschein geben, als sei die enge Zusammenarbeit nach wie vor gegeben.

Eigentlich sollte das Treffen schon eine Woche früher stattfinden. Doch kurzfristig wurde es abgesagt. Französische Medien spekulierten daraufhin über massive Differenzen zwischen Berlin und Paris.

So berichtete "Le Figaro", dass Sarkozy in einer Kabinettssitzung den Kurs der Bundesregierung kritisiert haben soll, weil man "mit einem Sparpaket nach dem anderen nur in die Rezession gerät". Das Kanzleramt dementierte Differenzen und nannte rein terminliche Gründe für die Absage.

Streit um Wirtschaftsregierung

Doch es geht um mehr als das Sparpaket. Denn Frankreich drängt schon seit Wochen auf eine gemeinsame Wirtschaftsregierung mit einem eigenen Sekretariat auf EU-Ebene. "Wir müssen ernsthaft über die Notwendigkeit einer Wirtschaftsregierung nachdenken, die echte Steuerungsfunktionen übernimmt", betonte Frankreichs Wirtschaftsministerin Christine Lagarde erneut in der "Süddeutschen Zeitung".

Es gehe dabei nicht nur um die Banken- und Finanzmarktaufsicht, Europa brauche vielmehr "eine koordinierende und effiziente Exekutive" im Wirtschaftsbereich, so Lagarde. Deutschland aber ist gegen eine gemeinsame Wirtschaftsregierung und will eine lockere wirtschaftliche Koordinierung zwischen allen 27 EU-Staaten.

Für Merkel bedeutet die Diskussion mehr als eine Differenz im deutsch-französischen Verhältnis. Denn bisher war es vor allem ihr Engagement auf EU-Ebene, das ihrem Image Glanz verlieh. Anders als in Berlin, wo ihr vorgeworfen wird, ihre Mannschaft nicht im Griff zu haben. Und während bei den Koalitionären in Berlin die Streitigkeiten von Tag zu Tag zunehmen, konnte die Kanzlerin auf EU-Ebene bisher immer punkten und sich als starke Regierungschefin profilieren.

Durchgesetzt bei Griechenland

So etwa beim Thema Griechenlandhilfe. Deutschland hatte sich gegen schnelle Hilfszusagen gewehrt, was ihr mancher EU-Regierungschef übel nahm. Auch bei der Art und Weise, wie Griechenland geholfen werden sollte, gab es Unstimmigkeiten. Schon damals gab es auch Zwistigkeiten zwischen Frankreich und Deutschland.

Doch die Kanzlerin konnte sich letztlich durchsetzen, und der IWF wurde miteingebunden. Merkel hatte sich dem starken Druck anderer EU-Staaten entgegengestemmt. Damals konnten Merkel und Sarkozy kurz vor dem Gipfel Einigkeit erzielen, sodass der Durchbruch auf EU-Ebene gelang.

Doch diesmal scheinen die Ansichten zu verschieden, als dass sie aus dem Weg geräumt werden könnten. Gleichwohl die beiden Regierungen zur Demonstration ihrer Einigkeit einen gemeinsamen Brief verfassten, in der sie sich für den Verbot von Leerverkäufen und mehr Finanzmarktreformen stark machten. "Alle wichtigen Entscheidungen sind von uns gemeinsam vorbereitet und getragen", betonte Merkel in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Aber der Druck auf die EU, die Krise zu lösen, wächst. Denn der Euro stürzt von einem Tief ins nächste. Das derzeitige Mittel, eine strenge Haushaltskonsolidierung, wird von allen Ländern als notwendig erachtet. Auch Frankreich will bis 2013 sein Haushaltsdefizit um 100 Milliarden Euro senken. Aber ob die Maßnahmen tatsächlich helfen, den Druck von der Gemeinschaftswährung zu nehmen, ist offen.

Unterstützung aus Spanien und Italien

Und so wird nach neuen Lösungen gesucht. Und Frankreich steht mit seiner Idee der Wirtschaftsregierung nicht mehr allein da. Auch Spanien und Italien haben sich inzwischen für eine gemeinsame Wirtschaftsregierung ausgesprochen. Wirtschaftspolitik sei keine nationale, sondern eine europäische Angelegenheit, erklärte Spaniens Ministerpräsident José Luis Rodriguez Zapatero.

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy dagegen stand bisher auf der Seite von Angela Merkel. "Wir brauchen keine neuen Institutionen, um unsere Ziele zu erreichen", erklärte er. Doch die Kanzlerin braucht die Unterstützung Frankreichs, um weiter die starke Kraft in der EU zu sein.

Denn bisher zogen beide Länder an einem Strang, wenn es darum ging, auf europäischer Ebene Vorhaben umzusetzen. Sollte es Merkel nicht gelingen, die Differenzen mit Sarkozy aus dem Weg zu räumen, dann hat sie nicht nur einen starken europäischen Partner gegen sich, sondern die Isolation, der sie sich in den vergangenen Monaten auf europäischer Ebene ausgesetzt fühlte, dürfte dann noch weitaus größer werden.

Dass sich dann noch mehr Befürworter einer gemeinsamen Wirtschaftsregierung zu Wort melden, ist nicht ausgeschlossen. Und für Merkel geht der Halt verloren, nicht nur in Berlin, sondern eben auch in der EU. Spätestens auf dem EU-Gipfel am Donnerstag wird sich zeigen.

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