Wirtschaftsforscher schlagen Alarm Deutschland vor der Rezession

Berlin (RP). Wirtschaftsforscher schlagen Alarm: Im schlimmsten Fall schrumpft die deutsche Wirtschaft 2009 um fast ein Prozent. Die Bürger sollten schnell entlastet werden.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück.

Foto: ddp, ddp

Deutschland kann wegen der weltweiten Finanzkrise 2009 mit höchstens 0,2 Prozent Wachstum rechnen. Rutscht die Weltwirtschaft in eine Rezession, werden daraus sogar minus 0,8 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommen die acht führenden Wirtschaftsinstitute aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in ihrem Herbstgutachten im Auftrag der Bundesregierung.

 Die Prognosen der Institute im Einzelnen. Zum Groß-Zoomen!

Die Prognosen der Institute im Einzelnen. Zum Groß-Zoomen!

Foto: ddp

Auch die Bundesregierung selbst wird ihre Wachstumsprognose für das Jahr 2009 drastisch nach unten korrigieren. Die neue Prognose liegt zwischen null und 0,2 Prozent, heißt es in Regierungskreisen.

Weltweit sinkende Nachfrage

Deutschland sei von der internationalen Konjunkturschwäche in besonderem Maße betroffen”, heißt es im Gutachten. Der Export leide unter der weltweit sinkenden Nachfrage. Der private Konsum werde die Lücke nicht füllen. Die Flaute werde am Arbeitsmarkt Spuren hinterlassen, prognostizierte Udo Ludwig, Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle.

Schon "im günstigsten Fall” gingen bis Ende kommenden Jahres 350.000 Jobs verloren. Die durchschnittliche Arbeitslosenquote werde 2009 aber wie in diesem Jahr bei 7,5 Prozent liegen, da mehr Personen aus dem Erwerbsleben ausscheiden, als neue hinzukommen. Im "Rezessionsszenario” werde Deutschland 400.000 Arbeitsplätze verlieren.

"Die größte Unsicherheit besteht im Ausmaß und in der Dauer der Krise an den internationalen Finanzmärkten”, heißt es in dem Gutachten. Die Institute gehen davon aus, dass die milliardenschweren Stützungsprogramme der Regierungen den Bankensektor stabilisieren. Andernfalls würden bisher unbeteiligte und stabile Länder in den Abwärtsstrudel gezogen, warnen die Forscher.

Zur Bekämpfung der Rezssionsgefahr fordern die Gutachter die Bundesregierung auf, die Einkommensteuer schon Anfang 2009 zu senken. Ohnehin geplante Investitionen in Bildung und Verkehr sollten ebenfalls vorgezogen werden. Auch müsse der Arbeitslosenbeitrag noch tiefer sinken als von 3,3 auf 2,8 Prozent. Im Gegenzug sollten ab 2010 Subventionen abgebaut und staatliche Konsumausgaben gesenkt werden, also die Personalkosten der öffentlichen Hand und Zahlungen an Arbeitslose.

FDP will Steuern senken

Während die Linke ein Milliarden-Konjunkturprogramm anregte, forderte die FDP eine Steuerentlastung. "Unser Konjunkturprogramm heißt Steuersenkung”, sagte FDP-Fraktionsvize Hermann Otto Solms unserer Redaktion. Heftig kritisierte Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn die Bundesregierung. "Sie schlittert unvorbereitet in die Konjunkturkrise”, sagte er in Berlin. Statt notwendige Strukturreformen umzusetzen, habe sie "schnelle Geschenke wie Rentenerhöhung und Arbeitslosengeldverlängerung verteilt”. Mit dem Gesundheitsfonds bereite sie den größten Beitragssprung in der Geschichte der gesetzlichen Krankenkasse vor.

Der SPD-Finanzexperte Joachim Poß forderte die Länder auf, "für ihre Städte und Gemeinden für ein bis zwei Jahre zusätzlich ein kommunales Investitionsprogramm aufzulegen”. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos warnte vor "erheblichen Belastungen aus dem globalen Umfeld”. Dies werde auch die deutsche Wirtschaft nicht unbeeindruckt lassen. Es sei "Aufgabe aller Beteiligter, der Unternehmen, Banken, der Tarifparteien und des Staates, dies zu verändern.”

Bundesländer stellen Forderungen

Der Bonner Wirtschaftswissenschaftler und frühere Bundesbank-Berater Manfred J. Neumann glaubt, dass Konjunkturprogramme in der Regel "viel kosten und wenig bewirken”. Dennoch könne es gezielte Aktionen geben, die der Rezession entgegenwirken. "Es wäre hilfreich, abschwungbedingte Steuerausfälle nicht durch eine andere Steuererhöhung auszugleichen. Auch lässt sich vielleicht das eine oder andere staatliche Investitionsprojekt zeitlich vorziehen”, sagt er.

Unterdessen verlangten die Bundesländer gestern erhebliche Änderungen an dem 500-Milliarden-Rettungspaket der Bundesregierung, um ihre finanzielle Belastung zu begrenzen. Gleichwohl zeigten sie sich zuversichtlich, den Streit bis Freitag auszuräumen. Dann soll das Paket bereits in Bundestag und Bundesrat endgültig verabschiedet werden. Unmittelbar danach soll es in Kraft treten. Die Länder sollen mit 35 Prozent an möglichen Kosten beteiligt werden. Das ist aber umstritten.

Unser Panorama-Bild zeigt dunkle Wolken über der Frankfurter Skyline.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort