Interview mit den Betreibern "Der Nürburgring ist nicht Schlecker"

Düsseldorf · Die Düsseldorfer Unternehmer Jörg Lindner und Kai Richter glauben an die Zukunft des berühmten Rings. Sie fordern als Betreiber aber schnelle Entscheidungen, anderenfalls drohe ein "Massaker in der Eifel".

Geschichte des Nürburgrings
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Foto: dapd

Wie steht's um die Formel 1 am Ring, was ist mit Bernie Ecclestone?

Richter. Das wird nicht einfach, aber es wird gelingen. Ecclestone empfängt uns in den Gesprächen mit Sätzen wie: Ihr Deutschen habt Milliarden für Griechenland, aber keine paar Millionen für den Nürburgring. Konkret: Wir streben eine langfristige Bindung mit ihm an, nicht nur für die Rennsaison 2013. Die Insolvenzverwalter am Nürburgring haben uns die Zusage gegeben, dass Vereinbarungen, die wir mit Herrn Ecclestone treffen und der sie zustimmen müssen, Teil einer neuen Ausschreibung im Rahmen des Insolvenzverfahrens sein werden. Der Nürburgring-Verkauf hätte mit Formel-1-Vertrag natürlich einen höheren Wert als ohne Formel-1-Vertrag.

Wie weit sind Ihre Gespräche mit Mr. Ecclestone gediehen?

Lindner: Jeder redet über Herrn Ecclestone, niemand außer uns redet mit Herrn Ecclestone. Herr Richter und ich waren zuletzt am 9. August bei ihm in London.

Was ist mit Ihrem Pachtvertrag, Ihnen wurde doch im Februar gekündigt?

Lindner: Unser Pachtvertrag läuft bis zum 30. April 2040. Herr Richter und ich beabsichtigen, ihn zu erfüllen.

Richter: Wir betrachten die Kündigung als unwirksam und haben ihr widersprochen. Seither ist nichts geschehen; es hat uns auch niemand verklagt.

Arbeiten Sie am Ring profitabel?

Lindner: Wir haben die Umsätze dort von 2008/09 bis zum letzten Geschäftsjahr von 21 auf 63 Millionen Euro verdreifacht. Wir haben im vergangenen Jahr 1440 Veranstaltungen am Nürburgring-Gesamtkomplex durchgeführt. Dass die staatliche Verpächtergesellschaft insolvent ist, hat mit deren Finanzierung zu tun — und nicht im Ansatz etwas mit uns als privater Betreibergesellschaft.

Sie schulden angeblich Millionen an Pachtzins-Zahlungen?

Lindner: Wir schulden dem Land keinen Cent Pacht, im Gegenteil, das Land schuldet uns Geld. Gekündigt wurde uns wegen eines Streit um die Tourismusabgabe von 3, 2 Millionen Euro. Kurze Zeit nach der Geschäftsaufnahme im Frühsommer 2010 bekam das Mainzer Wirtschaftsministerium offenbar Hinweise aus Brüssel, dass das öffentlich-private Konstrukt am Nürburgring EU-beihilferechtlich problematisch sei.

Sie haben bis zuletzt Pacht gezahlt?

Lindner: Seit vergangenem Mittwoch stellen wir Zahlungen zurück, weil wir seit zwei Wochen durch die Insolvenz unseres Verpächters keinen Partner mehr auf der anderen Seite haben. Außerdem verwenden wir das zurückgehaltene Geld dazu, die 2 300 festgestellten Baummängel, für deren Beseitigung unser Verpächter zuständig wäre, im Wege der Ersatzvornahme beseitigen zu lassen. Unser Risiko dabei ist, dass wir uns das aus der Insolvenzmasse holen müssten.

Ihre Ansprechpartner sind derzeit . . .

Richter: . . . der Sachwalter und der Insolvenzgeschäftsführer.

Wie viel Pacht haben Sie gezahlt?

Richter: Zuletzt 880 000 Euro monatlich.

Lindner: Unsere Pacht entwickelt sich von null Euro im ersten über fünf Millionen im zweiten auf zehn Millionen im dritten Jahr, in dem wir uns gerade befinden.

Nürburgring-Fans fragen sich, ob Sie einen Plan haben, wie man aus dieser auch geschäftlich Grünen Hölle rauskommt. Und?

Richter: Das Geschäft ist schwierig, es gibt am Nürburgring einzelne Geschäftsfelder, die das Gesamtergebnis belasten, die zu teuer gebaut wurden, etwa die Arena mit 3 500 Plätzen oder das Warsteiner-Eventcenter. Fast ein Drittel der viel zu hohen 330-Millionen-Euro-Investionssumme entfällt auf das Ringwerk, ein Motorsportmuseum. Allein 16 Millionen Euro sind in eine Tiefgarage geflossen. Es gibt auch keine wirkliche Flaniermeile; die Achterbahn erhielt keine Betriebsgenehmigung. Um in der Arena mit nur 3 500 Plätzen einen erstklassigen Künstler wie Robbie Williams auftreten zu lassen, müssten die Tickets 1 900 Euro kosten, damit das Ganze profitabel wäre. Das bezahlt aber niemand. Für zweitklassige Künstler jedoch kommt niemand aus Düsseldorf, Köln und Bonn in die Eifel.

Dass einiges nicht funktionieren würde, war doch schon klar, als Sie 2010 den Betreibervertrag geschlossen haben.

Richter: Deshalb haben wir auch direkt damit begonnen, die nicht profitablen Teile des Komplexes umzufunktionieren. Und: Wir mussten 163 Arbeitsplätze aus dem vormals staatlichen Betrieb abbauen, um profitabel zu werden.

Lindner: Damit keine Missverständnisse entstehen: Unsere Betriebsgesellschaft verdient Geld am Nürburgring und hat ihre Ziele erreicht. Wir haben steigende Hotelkapazitäten, ein gutes Messe- und Kongressgeschäft.

Wann kommen Sie zu einer Lösung für den Nürburgring, wenn Ihr Verpächter insolvent ist?

Richter: Sachwalter und Insolvenz-Geschäftsführer müssen jetzt zunächst einen neuen Eigentümer finden.

Bei Schlecker hat man niemanden gefunden.

Richter: Das ist nicht vergleichbar. Im Unterschied zu Schlecker gibt es für den Nürburgring ein funktionierendes betriebliches Konzept. Warum soll man dieses, unser erfolgreichen Konzept beenden?

Sind Sie bereit, als neuer Eigentümer einzusteigen?

Richter und Lindner: Wir werden uns die Ausschreibung genau ansehen und dann entscheiden.

Lehrt Sie das Beispiel Nürburgring, dass man mit dem Staat besser keine Geschäfte machen sollte?

Lindner: Der Staat als Unternehmer — ein grundsätzliches Problem. Nehmen Sie die Elbphilharmonie in Hamburg. Das, was wir uns als Unternehmen mit Erfahrung seit 1959 nicht zutrauen würden, macht dort eine staatliche Bauverwaltung. Das ist genau das, was auch beim Flughafen in Berlin passiert. Der Staat sollte nicht privat wirtschaften.

Was ist das Schlimmste, was dem Nürburgring passieren kann?

Richter: Ein langer Rechtsstreit, den wir vermeiden wollen. Wir haben ein erstes Gespräch mit dem Sachwalter und dem Insolvenzgeschäftsführer geführt, in der Hoffnung, dass wir uns dieses Massaker ersparen können und für den Ring eine gute Lösung finden. Das Land Rheinland-Pfalz wird den Ring jedenfalls nicht mehr betreiben können, dafür wird die EU sorgen.

Lindner: Wir gehen davon aus, den Ring noch gut 27 Jahre zu führen. Wir haben auch Verantwortung für knapp 280 Mitarbeiter, wollen nun eine langfristig tragfähige Lösung. Ob wir als Eigentümer dabei sind, hängt von der Ausschreibung ab.

Wie kann man in dieser unsicheren Situation Nürburgring-Veranstaltungen für 2013 vermarkten?

Lindner: Das ist zur Zeit ein großes Problem. Wegen der öffentlichen Diskussion um die Insolvenz der staatlichen Immobiliengesellschaft tun wir uns als Betreiber schwer. Denn alles, was man erklären muss, kann man schlecht verkaufen. Und wir müssen im Moment sehr viel erklären. Wir müssen unbedingt schnell konstruktive Lösungen finden, denn sonst führt das zu einem Massaker in der Eifel.

E. Czekalla, R. Michels und G. Winters führten das Interview.

(RP/felt/das)
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