Entscheid in Karlsruhe EuGH soll umstrittene Staatsanleihenkäufe der EZB überprüfen

Karlsruhe · Das Bundesverfassungsgericht hat Bedenken gegen die Geldschwemme der Europäischen Zentralbank. Die Richter schalten deshalb den Europäischen Gerichtshof ein. Von der Politik gibt es Lob dafür.

 Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in Luxemburg (Archiv).

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in Luxemburg (Archiv).

Foto: dpa, bsc wst

Die umstrittenen Staatsanleihenkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) werden vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) überprüft. Das gab das Bundesverfassungsgericht am Dienstag in Karlsruhe bekannt. Nach Auffassung der Richter sprechen gewichtige Gründe dafür, dass die Beschlüsse für das Anleihekaufprogramm gegen das Verbot der Staatsfinanzierung durch die Notenbank verstoßen. Gleichzeitig beantragten sie ein beschleunigtes Verfahren, weil "die Rechtssache eine rasche Erledigung erfordert".

Zur Ankurbelung von Inflation und Konjunktur kauft die Notenbank seit März 2015 Staatsanleihen und andere Papiere in großem Stil — derzeit für 60 Milliarden Euro monatlich. Das viele Geld soll die Zinsen drücken und die Kreditvergabe ankurbeln.

Hintergrund des Falls sind drei Verfassungsbeschwerden gegen das seit 2015 laufende Kaufprogramm. Kläger sind der AfD-Gründer Bernd Lucke, der frühere CSU-Politiker Peter Gauweiler und der Berliner Professor Markus Kerber. Nach ihrer Auffassung überschreitet die Europäische Zentralbank mit dem Anleihekaufprogramm ihr Mandat. Die EZB unter Präsident Mario Draghi betreibe eigenmächtig Wirtschaftspolitik. Das ist in Europa aber die Aufgabe der nationalen Finanzminister. Außerdem würden verbotenerweise Staatshaushalte finanziert.

Der Vorlagebeschluss bedeutet, dass die Karlsruher Verfassungsrichter diese Vorwürfe ernst nehmen. Weil es um EU-Recht geht, soll zunächst der EuGH urteilen. Auf dieser Grundlage entscheidet dann das Bundesverfassungsgericht. Im äußersten Fall könnten die Richter der Deutschen Bundesbank die Teilnahme an den Anleihenkäufen untersagen.

"Auch die EZB ist an Recht gebunden"

Aus der Politik gab es Lob für die Entscheidung der Verfassungsrichter. "Das Anleihenprogramm der EZB ist die Finanzierung von Staatsschulden durch die Hintertür", sagte FDP-Chef Christian Lindner unserer Redaktion. "Wir respektieren die Unabhängigkeit der EZB, aber natürlich ist auch sie an Recht gebunden." Vor allem Sparer litten unter den Entscheidungen der Europäischen Zentralbank. "Eine Überprüfung durch den EuGH ist deshalb sehr zu begrüßen."

Nun habe der Europäische Gerichtshof die Möglichkeit, "über wichtige Fragen zur Reichweite der Geldpolitik zu entscheiden", sagte die finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Antje Tillmann, unserer Redaktion. Sie begrüßte die Entscheidung aus Karlsruhe. "Für mich war immer wichtig, dass sich die EZB im Rahmen ihres geldpolitischen Mandates bewegt und die Grenzen zwischen Geldpolitik und Staatsfinanzierung gewahrt bleiben."

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hingegen hat die umstrittenen EZB-Anleihenkäufe gegen Bedenken des Bundesverfassungsgerichts verteidigt. Auf einer Veranstaltung in Berlin bezog Schäuble am Dienstag Stellung gegen von den Richtern geäußerte Zweifel, dass die EZB sich mit den Käufen noch im Rahmen ihres Mandats bewegt habe. "Ich teile die Meinung nicht", sagte er. "Ich glaube, dass das Mandat eingehalten ist." Die EZB schöpfe ihre Möglichkeiten aus, um ihre "höllisch" schwierige Aufgabe einer Geldpolitik für viele unterschiedliche Länder zu erfüllen.

Aktenzeichen 2 BvR 859/15 u.a.

(mar)
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