Nachfolge von Jens Weidmann Entscheidung über neuen Bundesbankpräsidenten fällt kommende Woche – SPD-Mitglied Nagel gilt als Favorit

Berlin · Bis Jahresende bleiben Bundeskanzler Olaf Scholz nur noch wenige Tage für eine wichtige Personalentscheidung: die Nachfolge des zurückgetretenen Bundesbank-Chefs Jens Weidmann. Am Montag dürfte Scholz die mit Finanzminister Lindner abgestimmte Entscheidung dem Kabinett vorlegen. Weiterhin in der Favoritenrolle: Volkswirt und SPD-Mitglied Joachim Nagel.

 Scheidender und neuer Bundesbankpräsident? Jens Weidmann (rechts) scheidet zum Jahresende aus, Joachim Nagel, bis 2017 Bundesbank-Vorstand, könnte ihm nachfolgen. 

Scheidender und neuer Bundesbankpräsident? Jens Weidmann (rechts) scheidet zum Jahresende aus, Joachim Nagel, bis 2017 Bundesbank-Vorstand, könnte ihm nachfolgen. 

Foto: picture alliance / dpa/Arne Dedert/DPA

Die Inflationsrate in Deutschland ist im November auf den historischen Höchststand von 5,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat geschnellt, wie das Statistische Bundesamt am Freitag bestätigte. Das macht die Nachbesetzung des zum Jahresende vakant werdenden Postens des Bundesbankpräsidenten für den neuen Bundeskanzler umso dringlicher. Die Entscheidung über die Nachfolge von Bundesbank-Chef Jens Weidmann dürfte Olaf Scholz (SPD) bereits getroffen haben, allerdings behielt er sie bisher eisern für sich.

Weidmann hatte überraschend nach zehn Jahren an der Spitze der deutschen Notenbank seinen Rücktritt angekündigt und dafür persönliche Gründe genannt. Er verlässt damit lange vor dem Ende seiner bis 2027 laufenden Amtszeit die Kommandobrücke. Der frühere Merkel-Vertraute stand zunehmend im Konflikt mit der ultralockeren Geldpolitik unter Christine Lagarde, der Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB). Nachdem Scholz die Bundestagswahl gewonnen hatte, dürfte er auch um den politischen Rückhalt Berlins gefürchtet haben.

Scholz wird die Personalentscheidung nun voraussichtlich am kommenden Montag dem Kabinett vorlegen. In der Ampel-Koalition verabredet ist, dass Finanzminister Christian Lindner (FDP) dem Vorschlag zuvor zugestimmt haben muss.

Weiterhin gut möglich ist, dass Scholz den Posten mit dem promovierten Volkswirt Joachim Nagel besetzt. Über die Favoritenrolle Nagels hatte vor rund zehn Tagen zunächst die Londoner „Financial Times“ berichtet. Ein Sprecher von Scholz erklärte daraufhin, eine Entscheidung sei noch nicht gefallen. Der Name Nagels wurde aber weder bestätigt noch dementiert.

Der 55-jährige Karlsruher war bereits 17 Jahre lang bei der Bundesbank tätig, davon sechs Jahre im Vorstand. Nagel wechselte 2017 zur Förderbank Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und 2020 zur Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), wo er als Vize-Chef für Banken zuständig ist. Nagel ist SPD-Mitglied, verfolgt aber ähnlich wie Weidmann einen eher ordoliberalen und damit konservativen geldpolitischen Kurs. Nagel könnte daher auch für Lindner tragbar sein, weil er für Kontinuität in der Bundesbank stehen könnte. Der Bundesbankpräsident soll seine geldpolitischen Entscheidungen nach dem Gesetz allerdings unabhängig von Weisungen der Bundesegierung fällen können.

Nagel würde für den Posten gute Voraussetzungen mitbringen: 2010 rückte der bisherige Zentralbereichsleiter in den Bundesbank-Vorstand als Nachfolger des früheren SPD-Politikers Thilo Sarrazin auf. Dort war er zuletzt für den Bereich Märkte zuständig und damit für die konkrete geldpolitische Umsetzung der EZB-Ratsentscheidungen. In dieser Zeit hatte er wie auch Bundesbank-Chef Weidmann die Anleihekäufe der EZB kritisiert.

Die SPD hätte Nagel bereits 2014 für die Nachfolge des frei werdenden Vizepräsidenten-Postens vorgeschlagen. Gegen die Union, die sich für die Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Buch entschied, konnte sie ihn aber nicht durchsetzen.

Einziges Manko des Kandidaten: Er ist keine Frau. Doch die Reihe der möglichen Kandidatinnen ist kurz. Bundesbank-Vize Buch dürfte als Weidmann-Nachfolgerin nicht infrage kommen, weil sie mit einem CDU-Ticket fährt. Und EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel gilt als unabkömmlich.

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