Kritik von Präsident Jens Weidmann Bundesbank schließt Insolvenz Griechenlands nicht aus

Berlin (RPO). Die Bundesbank hat davor gewarnt, einen Bankrott Griechenlands um jeden Preis zu verhindern. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann sagte am Montag in einer Bundestagsanhörung, wenn Hilfsauflagen nicht erfüllt würden, dürfe eine Insolvenz nicht ausgeschlossen werden.

Merkels Mann für die Bundesbank
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Damit befeuerte er den von FDP-Chef Philipp Rösler ausgelösten Koalitionsstreit über eine geordnete Insolvenz. Andere Experten warnten vor zu großen Erwartungen an die neuen Möglichkeiten des Euro-Rettungsschirms EFSF. Vor allem aber müsse sich die Politik endlich aus der Zwangslage lösen, jedes Euro-Land zu retten, weil es dazu keine Alternative gebe.

Der Bundestag will kommende Woche über die Aufstockung der deutschen Garantien für die EFSF von 123 auf 211 Milliarden Euro abstimmen. Insgesamt stehen der EFSF künftig 440 Milliarden Euro zur Verfügung, um strauchelnde Schuldenstaaten zu stabilisieren. Vorgesehen ist, dass die Europäische Finanz-Stabilisierungs-Fazilität (EFSF) künftig auch vorsorgliche Kreditlinien sowie Darlehen zur Stützung von Banken geben darf. Außerdem soll sie Anleihen von Euro-Ländern kaufen können. Hinzu kommt, dass im Juli die Kreditkonditionen gestützter Länder gelockert wurden.

Pleite bei Nichterfüllung der Auflagen

Weidmann ließ erkennen, dass er mit der gesamten Richtung unzufrieden ist: "Mit diesen Beschlüssen erfolgt ein weiterer großer Schritt in Richtung gemeinschaftlicher Haftung und geringerer Disziplinierung durch die Kapitalmärkte, ohne dass im Gegenzug die Kontroll- und Einflussmöglichkeiten auf die nationalen Finanzpolitiken spürbar verstärkt werden." Wenn etwa Anleihen von Euro-Ländern ohne Hilfsprogramme gekauft würden, sei unklar, wie eine strikte Bindung an Konsolidierungs- und Reformauflagen durchgesetzt werden könne. Die Disziplinierung der nationalen Finanzpolitiken über die Kapitalmärkte dürfe nicht entkernt, sondern müsse wieder gekräftigt werden.

In der Konsequenz schließt die Bundesbank auch eine Pleite von Staaten nicht aus, die die hohen Auflagen für Kredithilfen nicht erfüllen können oder wollen: "Am Ende liegt die Entscheidung (...) in der Souveränität der Hilfe empfangenden Staaten." Griechenland braucht im Oktober die nächste Hilfszahlung in Höhe von acht Milliarden Euro. Zurzeit erhöhen die Geldgeber des ersten Hilfspakets über 110 Milliarden Euro - Euro-Länder und IWF - den Druck, die Sparauflagen einzuhalten.

Merkel räumt Meinungsverschiedenheit ein

In der Bewertung der Euro-Krise hat Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel unterdessen eine Meinungsverschiedenheit mit dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer eingeräumt. Merkel verteidigte am Montag in Berlin ihre Auffassung, dass Europa scheitere, wenn der Euro scheitere. CSU-Chef Horst Seehofer hatte hingegen im "Spiegel" erklärt, diesen Zusammenhang sehe er nicht. Merkel erklärte dazu, dass dies ein Sachverhalt sei, "bei dem wir das Gespräch zwischen den Vorsitzenden und zwischen den Parteien fortsetzen werden und fortsetzen sollten."

Bei allgemein großer Übereinstimmung in vielen Bereichen gebe es in diesem Fall eine unterschiedliche Einschätzung zwischen CDU und CSU, sagte Merkel. Dies sei aber nicht das erste Mal der Fall.

Trotz der internen Querelen ist die schwarz-gelbe Koalition nach Worten von Kanzlerin Angela Merkel arbeitsfähig. Sie arbeite eng mit der FDP und ihrem Vorsitzenden Philipp Rösler zusammen, sagte sie nach einer Sitzung des Parteipräsidiums. Sie habe "keinerlei Zweifel, dass wir die Aufgaben, die wir zu erledigen haben, auch erledigen werden".

Experte: Politik muss sich aus Zwangslage befreien

Auch der Regierungsberater und Ökonom an der Uni Oxford, Clemens Fuest, warnte vor dem Versuch, mit der EFSF künftig jede Unruhe an den Finanzmärkten zu unterdrücken. Das Problem der Politik sei, dass sie bisher keine Alternative zu immer weiteren Hilfsprogrammen entwickelt habe. "Sie sind einer Zwangssituation ausgesetzt", sagte Fuest in der Anhörung. So lange es kein Verfahren für eine geordnete Staatsinsolvenz gebe, könne man nur weiter zahlen.

Kommende Woche will der Bundestag auch festlegen, wie er an den Entscheidungen über Stützungsmaßnahmen der EFSF beteiligt werden muss. Der Koalition schwebt vor, dass der Bundestag über alle Grundsatzfragen befindet. In dringenden Fällen soll ein kleines Gremium aus Mitgliedern aller Fraktionen entscheiden.

Eine Alternative zu immer neuen Hilfsprogrammen muss aus Sicht der Experten schon deshalb geschaffen werden, weil die Mittel der EFSF begrenzt sind. Der Wirtschaftsweise Christoph Schmidt mahnte: "Wenn man den Fonds so ertüchtigt wie vorgesehen, wird er gerade so viel Feuerkraft haben, um gegebenenfalls eine Umschuldung Griechenlands durchzuführen und Ansteckungseffekte auf andere Länder wie Portugal und Irland zu verhindern."

(RTR/dapd/top)
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