Veto aus Brüssel Börsenfusion Frankfurt-New York geplatzt

Frankfurt/Brüssel · Die Börsen von Frankfurt und New York müssen nach einem Veto aus Brüssel ihren Plan für den weltgrößten Handelsplatz beerdigen. Fast genau ein Jahr nach dem Bekanntwerden untersagte die EU-Kommission am Mittwoch wie erwartet den Zusammenschluss von Deutscher Börse und NYSE Euronext. Europas oberster Wettbewerbshüter, Joaquín Almunia, begründete das Veto mit der Sorge vor einem Quasi-Monopolisten im Handel mit Derivaten - also Finanzwetten. "Wir konnten nicht erlauben, dass so etwas geschieht", sagte der EU-Kommissar.

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Die beiden Konzerne kritisierten die EU-Entscheidung als falsch, nannten sie aber zugleich verkraftbar. Beide sehen sich auch ohne Partner stark genug, um im schärfer werdenden Wettbewerb zu bestehen.
Deutsche-Börse-Aufsichtsratschef Manfred Gentz schloss personelle Konsequenzen aus: "Es besteht zu grundlegenden Änderungen von Strategie, Struktur und Führung kein Anlass, vielmehr sind jetzt Ruhe und Kontinuität geboten." Die New York Stock Exchange (NYSE) nimmt - quasi als Trostpflaster für die Aktionäre - einen auf Eis gelegten, 550 Millionen Dollar (419 Mio Euro) schweren Aktienrückkauf wieder auf. Das beflügelt üblicherweise den Kurs.

Deutsche Börse: "Können Urteil verkraften"

Deutsche-Börse-Chef Reto Francioni sagte in Frankfurt: "Wir können das EU-Verbot verkraften. Die Deutsche Börse konzentriert sich nun auf ihr Wachstumsprogramm aus eigener Kraft." Der Dax-Konzern gehe nach einer "deutlichen Ergebnissteigerung" im vergangenen Jahr mit "positiven Wachstumserwartungen" ins Jahr 2012. Allerdings basiere das Urteil der EU-Kommission "auf einer realitätsfremd verengten Marktdefinition", sagte der Schweizer. "Was jetzt folgt, ist ein zäher Wettlauf aller Börsenplätze - die asiatischen eingeschlossen - um die beste Positionierung an den Kapitalmärkten."

Almunia erklärte, nach Ansicht der EU-Kommission hätte die Fusion der europäischen Wirtschaft geschadet. Ein solcher Zusammenschluss hätte "auf dem Markt für europäische Finanzderivate weltweit zu einer monopolartigen Stellung geführt", teilte der EU-Wettbewerbskommissar mit. Auf diesem Feld kommen die Börsen mit ihren Töchtern Eurex (Deutsche Börse) und Liffe (NYSE Euronext) auf mehr als 90 Prozent Marktanteil. "Wenn man ein solches Monopol zulässt, das zu höheren Preisen und weniger Innovation führt, dann ist das nicht im europäischen Interesse", sagte Almunia.

"Am Ende hatten wir keine andere Alternative, als die Fusion zu verbieten." Allerdings war die Entscheidung auch innerhalb der 27-köpfigen Kommission umstritten. Binnenmarktkommissar Michel Barnier hatte nach Worten Almunias "einen Vorbehalt". Dem Vernehmen nach hatte Barnier sich für eine Verschiebung der Entscheidung eingesetzt. Er erhoffte sich demnach von einem in Europa beheimateten Börsenchampion die leichtere Umsetzung europäischer Standards und hielt ein Gegengewicht zu Asien für nötig. Es ist äußerst selten, dass solche Differenzen nach außen getragen werden. Der EU-Beschlus ist 440 Seiten stark.

Das Angebot der Börsen, das gesamte Aktienderivate-Geschäft der Liffe zu verkaufen und Konkurrenten Zugang zu ihrem Geschäft zu gewähren, genügte den Kartellwächtern nicht. Zwei Mal habe er Abhilfemaßnahmen geprüft. "Sie haben bei weitem nicht ausgereicht, um die Bedenken auszuräumen", betonte Almunia. Francioni sagte: "Wir haben alles in unserer Macht stehende getan, um die Genehmigung der EU-Kommission - trotz der aus Sicht beider Unternehmen fehlerhaften Marktdefinition - zu erhalten. Über die Grenzen des wirtschaftlich vertretbaren konnten wir auch im Interesse der Aktionäre nicht hinausgehen."

Klage gegen das Nein ist möglich

Gegen das Nein aus Brüssel könnten die Konzerne vor dem Europäischen Gerichtshof klagen. NYSE-Chef Duncan Niederauer hatte kürzlich juristische Schritte gegen ein Veto nicht ausgeschlossen. Am Mittwoch gab es jedoch weder in Frankfurt noch in New York Signale in diese Richtung.

Widerstand gegen das Projekt kam bis zuletzt auch aus Hessen: Die im Wirtschaftsministerium angesiedelte Börsenaufsicht sorgte sich um die Fortentwicklung der Deutschen Börse am Standort Frankfurt. Ein Knackpunkt: Der fusionierte Konzern sollte über eine in den Niederlanden angesiedelte Dachgesellschaft gesteuert werden.

Für die Deutsche Börse und die New York Stock Exchange (NYSE) war es der dritte Anlauf für einen Zusammenschluss. An dem neuen Unternehmen sollten die Frankfurter 60 Prozent halten, die NYSE 40 Prozent. Seit Mitte Februar 2011 bemühten sich die Konzerne um die Zustimmung von etwa 40 Wettbewerbs- und Aufsichtsbehörden auf beiden Seiten des Atlantiks. Anvisiert war ein Abschluss der Transaktion zum Jahresende 2011.

(dpa)
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