Existenzgründer Berlin ist die Wiege für Start-ups

Düsseldorf · Europaweit liegt die Hauptstadt damit auf Platz zwei hinter London. Aber der Abstand zwischen Großbritannien und Deutschland schrumpft. Die Pandemie treibt das Geschäft der Start-ups.

 Mehr als 17 Milliarden Euro Risikokapital erhielten detusche Startups 2021.

Mehr als 17 Milliarden Euro Risikokapital erhielten detusche Startups 2021.

Foto: dpa/Monika Skolimowska

Gute Nachrichten für Start-up-Unternehmen: Nie zuvor floss so viel Geld an die jungen Unternehmensgründer  wie im vergangenen Jahr. Laut dem jüngsten Start-up-Barometer der Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY) wurden  etwa 17,4 Milliarden Euro wurden in die Startups investiert. Damit verdreifachte sich das Gesamtvolumen im Vergleich zum Vorjahr nahezu.

Insgesamt 1160 Deals hat es demnach im vergangenen Jahr gegeben. Das entspricht einem Plus von 56 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In Deutschland ist die Hauptstadt die größte Wiege für Existenzgründer. Dort bekamen 431 Unternehmen ihre Anschubfinanzierung. Mit 503 Finanzierungsrunden hätten die Berliner Start-ups  43 Prozent aller Transaktionen auf sich vereinigt –  mehr als die vier in der Rangliste folgenden Bundesländer zusammen, heißt es im EY-Barometer.  In Bayern wurden 205, in Nordrhein-westfalen insgesamt 92 Startup-Unternehmen unterstützt. Berücksichtigt wurden in der Studie Unternehmen, die nicht älter als zehn Jahre sind.

Vorn liegt die Hauptstadt mit mehr als zehn Milliarden Euro auch bei der gesamten Finanzierungssumme. „Drei von fünf hierzulande in Start-ups investierte Euro wurden 2021 in Berliner Jungunternehmen investiert“, teilt EY mit.

Warum Start-ups überhaupt finanzielle Unterstützung brauchen, liegt auf der Hand: Zu Beginn fehlt das Kapital, der Gewinn ist gering. „Die Pandemie erweist sich immer mehr als Katalysator für einen regelrechten Startup-Finanzierungsboom“, sagt Thomas Prüver, Partner bei EY. „Branchen- und standortübergreifend steigen die Investitionsaktivitäten. Das heißt: Immer mehr Start-ups kommen an frisches Geld. Zudem entwickeln sich die Investitionssummen geradezu explosionsartig.“ Der Grund sei das neu entfachte Interesse an potenziell disruptiven, also ganz neuen Geschäftsmodellen, vor allem im Technologiebereich. Das Wirtschaftsmagazin CIO erklärt die hohen Investitionssummen damit, dass das Geld bei den Investoren nach der Pandemie „wieder locker sitzt“. Zudem sei nach Jahren der Niedrigzinsen wieder viel Liquidität im Markt.

Die meisten Finanzierungsrunden entfielen laut Barometer auf die Bereiche Software & Analytics, E-Commerce (Handel im Internet), Health (Gesundheit) und FinTech/InsurTech (Technologisierung von Finanzdienstleistungen und Versicherungen). Im Software-Geschäft gab es insgesamt 393 Abschlüsse, fast 70 Prozent  mehr als ein Jahr zuvor. Der Bereich umfasst besonders Start-ups mit neuen Technologien wie Virtual Reality, Künstliche Intelligenz, Data Analytics oder Cyber Security. Jeweils mehr als 3,5 Milliarden Euro flossen in die anderen oben genannten Bereiche, die damit ihr Gesamtfinanzierungsvolumen gegenüber 2020 mehr als verdreifachten.

Auch hier könnte die Pandemie eine Rolle spielen: „Wachstumsfirmen profitieren mit ihren technologiegetriebenen Geschäften davon, dass die Digitalisierung in der Pandemie einen Schub bekommen hat - etwa bei Online-Shopping, Finanzgeschäften oder Essenslieferungen“, schätzt CIO. Dazu passen die Zahlen bei den Top-Ten-Startups in Deutschland: Lebensmittellieferdienst Gorillas (Berlin) führt mit 861 Millionen Euro, die das Unternehmen im September erhielt, die Top-Ten-Finanzierungsrunden an. Dahinter folgen das Münchener Softwareunternehmen Celonis (830 Millionen Euro) und die Berliner Direktbank N26 (775 Millionen Euro).

Im internationalen Vergleich liegt Deutschland hinter Großbritannien gegenwärtig auf Platz zwei. Insgesamt kommt die Hälfte der Top-Ten-Deal-Unternehmen aus Deutschland. „Das ist ein starkes Signal für die Relevanz des deutschen Tech-Ökosystems im internationalen Vergleich“, so Prüver.

Die Start-up-Hauptstadt Europas bleibt mit 1557 Finanzierungsrunden London, wie Ernst & Young weite mitteilt: „Die britische Metropole liegt mit Abstand auf Platz eins bei der Zahl der Deals und verzeichnet allein fast genauso viele Finanzierungsrunden wie die nächstplatzierten Städte Berlin, Paris, Barcelona, Zürich und Stockholm zusammen.“ Auch beim Finanzvolumen bleibt das Vereinigte Königreich vorn: 31,4 Milliarden Euro bedeuten Platz eins, vor Deutschland mit 17,4 Milliarden Euro.

Doch der Abstand zwichen den Briten und den Deutschen schmilzt: Während der britische Markt „nur“um 125 Prozent wuchs, konnte die deutsche Branche ein Plus von 229 Prozent erzielen. „Auch, wenn London durch seine lange Geschichte als bedeutender Finanzplatz noch immer führend ist, spricht die Dynamik eindeutig für Deutschland“, sagt Prüver.

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