Finanz-Skandal Altmaier „befremdet“ wegen Apas-Geschäften mit Wirecard-Aktien

Berlin · Noch während der Ermittlungen seiner Behörde zum einsitgen Börsenlieblings Wirecard soll der Chef der Wirtschaftsprüferaufsicht Apas noch mit Aktien des Skandalunternehmens gehandelt haben. Die Aufsichtsbehörde steht unter Druck - und mit ihnen der Wirtschaftsminister.

Peter Altmaier (CDU), Bundesminister für Wirtschaft und Energie, sitzt in der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag (Archivfoto).

Peter Altmaier (CDU), Bundesminister für Wirtschaft und Energie, sitzt in der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag (Archivfoto).

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Noch während der Ermittlungen seiner Behörde zum Wirecard-Skandal hat der Chef der Wirtschaftsprüferaufsicht Apas mit Aktien des Skandalunternehmens gehandelt. Das räumte er in der Nacht zum Freitag im Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestags ein. Nun gerät auch der für die Apas zuständige Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) unter Druck: Er müsse seinen Behördenleiter Ralf Bose entlassen, forderten Ausschussmitglieder verschiedener Fraktionen. Altmaier selbst zeigte sich am Freitag „befremdet“ über die Aktienkäufe.

„Wir werden mit den Beteiligten sprechen und wir werden sehr genau überprüfen, ob die geltenden Regelungen eingehalten worden sind und ob es geboten ist, daraus Konsequenzen zu ziehen“, kündigte der Minister an. Sorgfalt gehe aber vor „Schnellschüssen“.

Der Chef der Apas hatte im Ausschuss ausgesagt, er habe die Aktien am 28. April 2020 gekauft und am 20. Mai wieder verkauft. Am Tag des Kaufs war der Börsenkurs von Wirecard abgestürzt, nachdem die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in einem Sonderbericht aufgedeckt hatte, dass es keine Nachweise zur Existenz von angeblichen Kundenbeziehungen und daraus erzielten Umsätzen des aufstrebenden Tech-Konzerns gab. Er habe trotzdem an das Geschäftsmodell des aufstrebenden Fin-Techs geglaubt, sagte der Behördenleiter nach Angaben von Teilnehmern im Ausschuss. Zu diesem Zeitpunkt hatte seine Behörde bereits Vorermittlungen gegen die Wirecard-Wirtschaftsprüfer von EY eingeleitet.

Als der Behördenleiter seine Aktien am 20. Mai mit Verlusten wieder verkaufte, lief ein förmliches Berufsaufsichtsverfahren seiner Behörde gegen die Wirtschaftsprüfer. Ob der Verkauf mit diesem Verfahren zusammenhing, blieb zunächst offen. Der Finanzpolitiker der Linken, Fabio De Masi, wies auf ein Telefonat der Apas-Leitung mit der staatlichen Aufsichtsbehörde Bafin im Zusammenhang mit Wirecard am gleichen Tag hin.

Abgeordnete mehrerer Fraktionen forderten personelle Konsequenzen: „Aus meiner Sicht kann er nicht im Amt bleiben“, kommentierte der FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar die Aussage des Behördenchefs. Sein Kollege bei den Grünen, Danyal Bayaz, erklärte: „Ohne einen Neuanfang an der Spitze der APAS wird es kaum möglich sein, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen.“ Hier sei Altmaier gefragt. Auch der Finanzpolitiker der Linken, Fabio De Masi, forderte die Entlassung des Behördenchefs.

Zugleich müsse es klarere Regeln gegen Insiderhandel in Aufsichtsbehörden und den Ministerien selbst geben, kritisierten die Abgeordneten. Die Bundesregierung habe bereits im November mitgeteilt, dass sie keine Kenntnisse über Aktienhandel bei der Apas und bei weiteren Aufsichtsbehörden habe, da dort keine Meldepflichten existierten.

Der CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach forderte, den Vorgang umgehend zu untersuchen und die notwendigen Konsequenzen daraus zu ziehen. „Es kann nicht angehen, dass der Präsident der Wirtschaftsprüferaufsicht Apas mit Aktien eines Unternehmens handelt, das mittelbar Gegenstand einer Überprüfung ist“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Wirecard-Ausschusses dem „Handelsblatt“. Es müsse auch aufgeklärt werden, was genau bei dem betreffenden Telefonat zwischen Apas und Bafin besprochen wurde.

Die Apas steht im Fall Wirecard in der Kritik, weil sie erst im Sommer 2020 ein förmliches Verfahren gegen EY einleitete, obwohl sich die Betrugsvorwürfe bereits Monate zuvor verhärtet hatten. Ein Unterabteilungsleiter rechtfertigte das im Ausschuss: Nach einem Telefonat mit den Wirtschaftsprüfern habe man den Eindruck gehabt, die Sache werde angegangen. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Prüfer ihre Berufspflicht verletzten, habe es damals nicht gegeben. Ausschussmitglieder dagegen haben den Eindruck, dass sich EY mit dem Anruf bei der Aufsichtsbehörde habe absichern wollen. „Die Apas scheint eine Zuschauerbehörde zu sein“, kritisierte die SPD-Finanzpolitikerin Cansel Kiziltepe.

EY segnete jahrelang die Bilanzen des inzwischen insolventen früheren Dax-Konzerns Wirecard ab - und ist mit dem Vorwurf konfrontiert, nicht genau genug hingeschaut zu haben. Denn Wirecard soll seit 2015 Scheingewinne ausgewiesen haben, im Sommer räumte der Konzern Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro ein.

Der Aktienkauf zeige, dass der Leiter der Wirtschaftsprüfer-Aufsicht den Skandal offenkundig überhaupt nicht richtig erfasst habe, erklärte De Masi. Bayaz betonte, der Behördenchef habe „nicht nur die Tragweite des KPMG-Berichts komplett nicht verstanden, sondern auch eine erschreckende Ignoranz gegenüber einem offensichtlichen Interessenskonflikt gezeigt“. „Wie die Apas und ihr zuständiger Minister Altmaier dazu kommen, dass die Aufsichtstätigkeit der Behörde zu den Wirecard-Abschlussprüfungen frei von Fehlern gewesen sein soll, bleibt nach ihren Aussagen im Untersuchungsausschuss völlig unverständlich.“ Die Fahrlässigkeit bei Aufsicht und Kontrolle ziehe sich wie ein roter Faden durch den Wirecard-Skandal.

(ahar/dpa)
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