Neue CO2-Abgabe Fernwärme-Kunden sauer auf Stadtwerke Willich

Willich · Seit dem 1. Januar müssen Energieversorger eine Abgabe auf CO2 zahlen. Die Kosten werden an die Verbraucher weitergegeben. Doch in Willich gibt es nun Ärger. Denn da müssen manche Kunden plötzlich dreimal so viel wie andere zahlen.

 Kraftwerke versorgen über Fernwärmeleitungen – mal ober-, mal unterirdisch – Städte oder Siedlungen mit Energie.

Kraftwerke versorgen über Fernwärmeleitungen – mal ober-, mal unterirdisch – Städte oder Siedlungen mit Energie.

Foto: picture alliance / Andreas Franke/Andreas Franke

Julia Doll hat es ausgerechnet: 340 Euro muss sie allein in diesem Jahr mehr für die Fernwärme bezahlen, die sie und ihre Familie beziehen, 2025 sind es bereits 750 Euro. „Und da habe ich noch nicht geheizt“, sagt Julia Doll. Die Willicherin ärgert sich über die CO2-Steuer, die seit Anfang des Jahres gilt, oder genauer gesagt: über den Umgang der Stadtwerke Willich mit diesem Thema. Denn die haben sich dazu entschieden, die zusätzlichen Kosten für den Ausstoß von Kohlendioxid einfach komplett auf Julia Doll und ihre Nachbarn umzulegen – ohne dass die eine Alternative hätten.

Zum Jahreswechsel hatte die Bundesregierung die CO2-Bepreisung auf die Bereiche Verkehr und Wärme ausgeweitet. Seitdem wird in diesen Bereichen jede Tonne ausgestoßenes Kohlendioxid (CO2) mit 25 Euro bepreist. Der Preis steigt Jahr für Jahr nach einem festen Fahrplan. Für Hauseigentümer bedeutet das höhere Kosten: So sollen sie angereizt werden, den Verbrauch zu senken oder die Wärme aus erneuerbaren Energien zu gewinnen.

Im Fall von Familie Doll und ihren Nachbarn ist das gar nicht so leicht. Denn sie beziehen ihre Energie zum Heizen aktuell von einem Blockheizkraftwerk per Fernwärme. Das Kraftwerk erzeugt per Erdgas Strom und Wärme – nur leider nicht besonders effizient. Der Wirkungsgrad des Kraftwerks ist ziemlich schlecht.

Die zusätzlichen Kosten, die durch den Kauf der CO2-Zertifikate entstehen, könnte der Energieversorger theoretisch auf Strom und Wärme umlegen. Doch das tut er nicht. Stattdessen werden die Kosten komplett auf die Wärme aufgeschlagen – und damit auf den Verbrauch von Julia Doll und ihren Nachbarn. Pro Kilowattstunde sind das laut Doll 1,481 Cent brutto, während reine Gaskunden der Stadtwerke nur 0,541 Cent brutto pro Kilowattstunde mehr zahlen müssten. „Wir zahlen jetzt drei Mal so viel wie Gaskunden“, sagt die Willicherin: „Ohne, dass wir etwas dagegen tun können.“ Denn für ihr Wohngebiet hat die Stadt Willich einen Anschluss- und Benutzungszwang erlassen. Die Anwohner sind verpflichtet, die Fernwärme zu beziehen, ob sie wollen oder nicht. „Die Stadtwerke haben sich bei der Weitergabe der CO2-Besteuerung gegen uns als Kunde entschieden – weil wir keine Wahl haben“, sagt Julia Doll.

Die Stadtwerke Willich wehren sich gegen den Vorwurf, die Kunden einseitig zu belasten: „Wir geben die beschlossenen Maßnahmen nur weiter und haben selbst auf die Einführung und Höhe des CO2-Preises keinen Einfluss“, sagte ein Sprecher. Dass man die Kosten komplett auf die Kunden umlege, begründen die Stadtwerke damit, dass ihr Kraftwerk in Wekeln rein wärmeorientiert betrieben werde. „Die Erlöse aus der Stromproduktion wirken sich insofern bereits kostenmindernd auf den Wärmepreis aus“, betont der Sprecher. Das Vorgehen sei branchenüblich.

Auf Kulanz dürfen die Kunden bei den Stadtwerken nicht hoffen. Die dadurch entstehenden Kosten seien durch die Stadtwerke nicht zu stemmen, heißt es. Darüber hinaus betont der Sprecher: „Das Preissignal soll an die Verbraucher weitergeben werden. Die sich für den Kunden zusätzlich ergebenden Kosten, können zum Teil durch die Reduzierung des Verbrauchs verringert werden.“

 Julia Doll ärgert sich über die Stadtwerke Willich.

Julia Doll ärgert sich über die Stadtwerke Willich.

Foto: Anne Orthen (ort)/Orthen, Anne (ort)

Bei der Verbraucherzentrale NRW findet man die Argumentation der Stadtwerke problematisch: „Durch eine Verhaltensänderung lässt sich nur begrenzt Energie einsparen“, heißt es. Aus Sicht der Verbraucherzentrale NRW fehlt eine klare gesetzliche Regelung, wie der CO2-Preis bei Kraft-Wärme-Kopplung, also auch bei Blockheizkraftwerken wie dem in Willich, umzulegen ist. „Die Stadtwerke haben sich hier für die teuerste Variante für ihre Fernwärmekunden entschieden“, sagt Christina Wallraf, Referentin für den Energiemarkt bei der Verbraucherzentrale NRW.

Im Bundesumweltministerium kann man hingegen keine Regelungslücke erkennen. Im Vertrag müsse festgelegt werden, welcher Anteil von Kostensteigerungen auf das Produkt Wärme angerechnet werden könne, sagte ein Sprecher: „Hierzu werden in den Wärmelieferverträgen verschiedene Preisgleitklauseln verwendet, deren Zulässigkeit im Streitfall von den Zivilgerichten überprüft wird.“

Das heißt: Julia Doll und andere betroffene Nachbarn müssten im Zweifel juristisch gegen die Preiserhöhungen der Stadtwerke Willich vorgehen. Doch auch an anderer Stelle interessiert man sich bereits für das Vorgehen der Stadtwerke in Willich. Julia Doll und ein Mitstreiter haben Kontakt zur Deutschen Umwelthilfe gesucht. Dort zeigt man sich verwundert. In einer Mail an die Stadtwerke heißt es, dass die CO2-Kosten bei Kraft-Wärme-Kopplung eigentlich nahezu vollständig der Stromproduktion zugeschlagen werden. Fernwärme wäre dazu nahezu klimaneutral. „Wenn sie aber eigentlich CO2-frei ist, können doch eigentlich auch keine Kosten entstehen“, schreibt ein Mitarbeiter der Umwelthilfe an die Stadtwerke: „Wie lässt sich der Konflikt auflösen?“

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