Benzinpreise werden langfristig weiter steigen FDP: Aufsicht für Ölkonzerne
Berlin · Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler will den 15 000 deutschen Tankstellen vorschreiben, dem Kartellamt jede Preisänderung zu melden. Verbraucherschützer kritisieren, das ändere nichts an den hohen Benzinpreisen.
Wirtschaftsminister Philipp Rösler will die Preispolitik der großen Mineralölkonzerne unter die Aufsicht des Bundeskartellamts stellen. Einen entsprechenden Passus ließ Rösler in den Entwurf für das neue Kartellgesetz einarbeiten, der am 2. Mai vom Kabinett verabschiedet werden soll. Demnach sollen die 14 700 Tankstellen in Deutschland, von denen die meisten von den fünf Konzernen Aral (BP), Shell, Esso (ExxonMobil), Jet (ConocoPhillips) und Total betrieben werden, einer "Markttransparenzstelle" beim Kartellamt detailliert melden, wann und in welchem Umfang sie die Benzinpreise an den Zapfsäulen erhöhen oder senken. Zudem sollen sie das Kartellamt darüber informieren, welche Mengen sie wo und wie teuer eingekauft haben. Rösler erhofft sich davon mehr Wettbewerb auf dem Benzinmarkt, der von dem Oligopol der fünf Mineralölkonzerne beherrscht wird.
Branchenexperten und Verbraucherschützer erklärten allerdings, die neue Meldevorschrift werde kaum für mehr Wettbewerb sorgen. Möglicherweise werde etwas mehr Druck auf die Konzerne ausgeübt, ihre bisherige Preispolitik zu überdenken. Das Kartellamt hatte den Konzernen in der Vergangenheit verbotene Preisabsprachen trotz mehrfacher Prüfverfahren nicht nachweisen können. Allerdings hingen die Konzerne durch eine "Reaktionsverbundenheit" eng miteinander zusammen, ein echter Preiswettbewerb finde daher nicht statt, hatte Kartellamtspräsident Andreas Mundt beklagt.
"Es kann sein, dass durch die Meldevorschrift ein gewisser Druck auf die Mineralölwirtschaft ausgeübt wird", sagte Holger Krawinkel, Experte der Verbraucherzentralen. "Aber die Benzinpreise werden dadurch nicht nennenswert sinken", so Krawinkel. Langfristig würden diese weiter steigen. Die starke Nachfrage auf dem Rohölmarkt treffe auf ein immer knapper werdendes Angebot. "Autofahrer müssen davon ausgehen, dass die Benzinpreise weiter steigen werden."
Die Mineralölbranche reagierte mit Unverständnis. "Für die Verbraucher bringt die Meldepflicht rein gar nichts", sagte Klaus Picard, Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbandes, unserer Zeitung. Rösler schaffe nur ein neues "Daten-Monstrum", das nichts bewirken werde, außer dass neue kostspielige Stellen beim Kartellamt geschaffen würden. Etwa eine Million Daten müssten erhoben werden. "Benzin wird dadurch nicht billiger, sondern in der Tendenz sogar noch teurer", prophezeite Picard. Der Tankstellenmarkt sei für das Kartellamt längst transparent genug. Verbraucher könnten sich im Internet über die Preisänderungen an den Tankstellen in ihrer Nähe informieren.
Auch die Automobilclubs ADAC und VCD zeigten sich skeptisch. Es könne zwar nicht schaden, wenn das Kartellamt den Konzernen mehr auf die Finger schaue, sagte ein ADAC-Sprecher. "Die Regelung kann für die Autofahrer aber auch negative Folgen haben", warnte er mit Blick auf Österreich, wo es nach ähnlichen Plänen an den Zapfsäulen eher teurer wurde. "Damit werden die Preise sicher nicht sinken", sagte auch der Sprecher des VCD. Das Problem liege in der Marktmacht der Ölkonzerne, die ihre Gewinne nicht nur an den Zapfsäulen, sondern über die gesamte Wertschöpfungskette realisierten — von der Ölexploration über die Weiterverarbeitung in den Raffinerien bis hin zu den Tankstellen. Auch die freien Tankstellen zeigten sich wenig begeistert. "Wir hätten einen solchen Entwurf zur Vorratsdatenspeicherung durch die Wirtschaft gerade vom FDP-geführten Wirtschaftsministerium nicht erwartet", hieß es beim Verband der Mittelständischen Energiewirtschaft.
Die Abhängigkeit von Öl und Benzin müsse verringert werden, findet auch Thomas Straubhaar, Chef des Hamburger Wirtschaftsforschungsinstituts HWWI. Die Pendlerpauschale sollte nicht nur ganz abgeschafft werden. Straubhaar will die Pendler zusätzlich noch besteuern. "Abgase, Verkehrslärm, Stau oder Parkplatzmangel könnten gute Gründe sein, die Pendlerpauschale abzuschaffen und sie durch eine Pendlersteuer zu ersetzen", sagte Straubhaar der "Hamburger Morgenpost".