Vorurteile über Hartz-IV-Empfänger Faul, anspruchsvoll, schlecht ernährt

Die Deutschen pflegen gegenüber Hartz-IV-Empfängern hartnäckig Vorurteile. Aus ihrer Sicht sind sie ohne jeden Ehrgeiz und kümmern sich werder um sich noch um ihre Kinder. Die Arbeitsagentur startet nun eine Kampagne, um mit diesen Vorurteilen aufzuräumen.

Vorurteile über Hartz-IV-Empfänger
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Foto: dpa, Hendrik Schmidt

Sie hängen nur zu Hause herum, sind zu faul, sich um ihr Leben zu kümmern - und wenn ihnen ein Job angeboten wird, lehnen sie ihn ab: So oder so ähnlich denken viele Deutsche über Hartz-IV-Empfänger. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit (BA). In der Mehrheit der Fälle stimme dieses Bild aber nicht, machen die Arbeitsvermittler am Dienstag in Berlin klar. "Meist sind diese Vorurteile Irrtümer", betont BA-Vorstand Heinrich Alt.

Es gibt dieses Bild von Hartz-IV-Empfängern, das in zahllosen Doku-Soaps täglich über die Fernsehbildschirme flimmert: Samantha bekommt mit 15 ein Kind, ihre Mutter ist dick und interessiert sich nicht für ihre Tochter, der Vater wohnt ein Stockwerk tiefer in der Hochhaussiedlung und trinkt. Natürlich lebt die ganze Familie von der Grundsicherung: 374 Euro pro Erwachsenem, etwas weniger für Kinder und Jugendliche.

Diesem hartnäckigen Image rückt die BA nun mit einer Kampagne (http://jobcenter-ich-bin-gut.de) zu Leibe: "Die Menschen wollen arbeiten", sagt Alt. "Wir wollen, dass sie in der Öffentlichkeit eine Chance bekommen." Denn die Vorurteile behinderten viele Betroffene auf ihrem Weg ins Berufsleben: Alleinerziehende, ältere Menschen, Behinderte. Je mehr Menschen Hartz-IV-Empfänger kennen würden, desto positiver urteilten sie über auch sie. Das Problem: Einige kennen gar keine.

Vielleicht deswegen hat sich in den Köpfen vieler Deutscher das Bild des faulen Hartz-IV-Empfängers festgesetzt. 55 Prozent der Befragten glauben laut der Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach, dass Hartz-IV-Empfänger nicht selbst aktiv nach Arbeit suchen. 57 Prozent meinen, sie hätten zu hohe Ansprüche bei der Arbeitssuche und 55 Prozent sind sich sicher, dass Empfänger der Grundsicherung nichts Sinnvolles zu tun haben.

Eine von denen, die diese Vorurteile betreffen, ist ausgebildete Grafikdesignerin und wird vom Jobcenter in Berlin-Kreuzberg betreut. "Es gibt solche und solche Hartzer", meint die 28-Jährige, die ihren Namen nicht nennen möchte. Über 100 Bewerbungen hat die Berlinerin mit rot gefärbten Haaren geschrieben: ohne Erfolg. "Ich liege nicht auf der faulen Haut, und Kinder bekomme ich auch nicht einfach, um etwas zu tun zu haben." Momentan überlege sie, umzuschulen.
"Vielleicht im sozialen Bereich, Behinderte betreuen, könnte ich mir vorstellen. Etwas, das wirklich gesucht wird."

Den "Irrtümern" der Deutschen setzt die Arbeitsagentur ermittelte "Fakten" gegenüber: Die Mehrheit der rund 4,4 Millionen Hartz-IV-Empfänger - davon rund 1,9 Millionen Erwerbsfähige - passe nicht zum Vorurteil. Tatsächlich klopften 62 Prozent der Hartz-IV-Empfänger auf der Suche nach einem Job selbst bei Arbeitgebern an. 71 Prozent der Betroffenen sagten, sie würden auch Arbeit annehmen, für die sie überqualifiziert sind und 62 Prozent gehen trotz der Grundsicherungsleistung einer gesellschaftlich relevanten Tätigkeit nach.

Vor allem eines seien viele Hartz-IV-Empfänger nicht: faul. "Etwa ein Drittel ist erwerbstätig, die Hälfte in einem Minijob, andere in Teilzeit", sagt Alt. Hinzu kommen diejenigen, die Kinder betreuen oder einen Angehörigen pflegen. Arbeitgeber sollten sich besinnen und einfach mal denken: "Diese Menschen haben bei mir kein Plus, aber vielleicht auch kein Minus."

(dpa)
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