Washington Facebooks Firmen-Welt

Washington · Vor dem Börsengang am morgigen Freitag diskutiert Amerika die Frage, wie sich Mark Zuckerberg auf dem glatten Parkett bewegen wird. Szenen eines Kulturkonflikts zwischen der Lässigkeit von Silicon Valley und der steifen Etikette an der Wall Street.

Mark Zuckerberg und das Kapital, das Genie mit dem Kapuzenpulli und die strenge Krawattenpflicht der New Yorker Börse, die Lässigkeit Silicon Valleys gegen die steife Etikette der Wall Street: Noch bevor Facebook eine Aktiengesellschaft wird, macht bereits das Wort vom Kulturkonflikt die Runde.

Am Freitag werden erstmals Papiere des Online-Netzwerks gehandelt. Wenn sich bewahrheitet, was Insider prophezeien, wenn das Unternehmen tatsächlich mit etwa 100 Milliarden Dollar bewertet wird, sitzt "Zuck" ab Freitag auf einem Aktienvermögen von 25 Milliarden. Nicht schlecht für einen 28-Jährigen, auf dessen Visitenkarten noch vor kurzem launige Sprüche standen - "I'm CEO, bitch", nur annähernd zu übersetzen mit "Ätsch, ich bin Geschäftsführer".

Doch Zahlen sind nicht das Thema, das Amerikas Kolumnisten vor der Premiere bewegt. Vielmehr geht es darum, wie sich der Tüftler mit dem Hoodie, dem Pulli mit angenähter Kapuze, auf dem glatten Parkett des großen Geldes bewegt. Neulich hat Mark Elliot Zuckerberg versammelte Großanleger ein wenig verschreckt, als er bei einer Präsentation prompt nicht verzichten wollte auf das Kleidungsstück, das im Nadelstreifenambiente der feinen Kreise den Eindruck erweckt, als sei es das erstbeste, was sich gerade im Schrank finden ließ. Prompt fühlte das "Wall Street Journal" seinen Lesern mit einer Blitzumfrage den Puls. Immerhin, das Ergebnis förderte eine größere konfektionskulturelle Toleranz zutage, als es der alarmierende Begriff "Hoodiegate" zunächst vermuten ließ. 47 Prozent waren der Meinung, der Netzwerker sollte grundsätzlich seinen markenprägenden Pulli tragen, sobald er vor Investoren auftritt. 41 Prozent dagegen sahen in der Kleidungswahl ein Zeichen mangelnder Reife, während sich der Rest nicht festlegen wollte.

Der Unternehmer Zuckerberg: Obwohl ein Achtel der Weltbevölkerung mit Hilfe von Facebook kommuniziert, ist er ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Das Bild, das die Öffentlichkeit von ihm hat, wurde in Hollywood geprägt, vom Film "The Social Network", der ihn als hochintelligenten, gleichwohl kontaktarmen und verklemmten Computernarren skizziert. Das Sittengemälde eines Eigenbrötlers. Doch gerade Zuckerbergs Umgang mit dem Streifen offenbart Lerneffekte. Anfangs wetterte er gegen die Kinomacher, dann aber mietete er komplette Kinosäle im Silicon Valley, damit sich seine Belegschaft das filmische Porträt im Team ansehen konnte. Zuck sei eindeutig gereift, lässt Sheryl Sandberg verbreiten, die Nummer zwei bei Facebook, weggelotst von Google, eine Frau mit geschliffenen Manieren. Im Übrigen wisse der Chef um seine Schwächen, er sei keineswegs beratungsresistent.

Bleibt die Frage, ob es dem Wunderknaben ähnlich ergeht wie manchen seiner Vorgänger. Nicht selten wurden die Ideengeber der ersten Stunde irgendwann ausgebootet, von professionelleren Managern, die zwar nicht unbedingt durch Geistesblitze glänzten, dafür aber mit spitzerem Stift zu rechnen verstanden und überhaupt abgeklärter wirkten. Der Apple-Pionier Steve Jobs wusste ein Lied davon zu singen. John Scully, der nüchterne Zahlenmensch, den er von Pepsi-Cola loseiste, drängte ihn so geschickt an den Rand, dass er entnervt seinen Hut nahm. Umso triumphaler Jobs' spätere Rückkehr, Apples glänzendes Comeback. Ob sich Zuckerberg auf eine ähnliche Achterbahnfahrt gefasst machen muss?

Bevor Jobs starb, soll er dem jungen Überflieger noch ein paar nützliche Tipps gegeben haben, auch das gehört zum Silicon-Valley-Latein. Besetzt er eine wichtige Stelle neu, nimmt Zuckerberg den Kandidaten in aller Regel auf eine lange Wanderung mit, kreuz und quer durch die zypressenbestandenen Hügel über Palo Alto und Menlo Park. Auf einer Kuppe, von wo der Blick weit ins Tal reicht, bis hin zu den Flachbauten von Apple und Hewlett-Packard, schwärmt er dann von seiner Vision. Genauso hatte es Jobs gehalten, wenn er Bewerber begeistern, Bewerbern auf den Zahn fühlen wollte.

Sean Parker wiederum, der Gründer des legendären, aber gescheiterten Musikportals Napster, riet "Mister Facebook" zu einer Aktienstruktur, die einen Putsch der Wall Street nahezu unmöglich macht. Demnach hält der Milliardär mit dem Jungengesicht 57 Prozent der Stimmrechte, wenn auch nicht 57 Prozent aller Papiere. Folglich kann kein noch so mächtiger Investor durchkreuzen, was er auf lange Sicht plant, sei es aus Ungeduld oder wegen eines plötzlichen Gewinneinbruchs, der gemäß dem Kurzzeitdenken des "Shareholder-Value" fast immer einen (oft kontraproduktiven) Kurswechsel erzwingt. Angeblich war die raffinierte Konstruktion die Bedingung für den Börsengang: Ohne sichere Mehrheit hätte sich der Hoodie-Fan auf das Wagnis nicht eingelassen.

(RP)
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