Schwerpunkt Schuldenkrise EZB zögert noch bei Euro-Rettung

Die Europäische Zentralbank will abermals eingreifen und Staatsanleihen bedrohter Euro-Länder aufkaufen – wann sie das tut, lässt sie aber offen. Der Bundesbankpräsident stimmt im EZB-Rat als Einziger dagegen. Debattiert wird über eine konzertierte Aktion von EZB und Rettungsschirmen.

Die Europäische Zentralbank will abermals eingreifen und Staatsanleihen bedrohter Euro-Länder aufkaufen — wann sie das tut, lässt sie aber offen. Der Bundesbankpräsident stimmt im EZB-Rat als Einziger dagegen. Debattiert wird über eine konzertierte Aktion von EZB und Rettungsschirmen.

Berlin/Frankfurt Die Europäische Zentralbank (EZB) wird eingreifen, sollte sich die Schuldenkrise in den kommenden Wochen zuspitzen. Sie ist grundsätzlich bereit, ihr seit März ruhendes Programm zum Ankauf von Staatsanleihen kriselnder Euro-Länder wieder aufzunehmen. Wann und in welchem Umfang sie das tut, ließ EZB-Präsident Mario Draghi gestern nach einer mit Spannung erwarteten EZB-Ratssitzung offen. Zunächst sei die Politik am Zug und müsse die Rettungsschirme EFSF und ESM am Anleihemarkt aktivieren.

Geplant ist offenbar eine konzertierte Aktion der EZB und der Rettungsfonds in den kommenden Wochen, um die bedrohlich hohe Zinslast von Spanien und Italien zu nehmen: Die Rettungsfonds würden in kleinerem Umfang direkt Anleihen von den beiden Ländern kaufen, die EZB deren Zinssätze durch Käufe am Markt auf ein erträgliches Maß drücken. Den Leitzins beließ die EZB bei 0,75 Prozent.

"Die hohen Risikoprämien für einige Staatsanleihen sind nicht akzeptabel", sagte Draghi. Die Notenbank könne sich "in einem Umfang, der ausreicht, das Ziel zu erreichen", an Hilfskäufen beteiligen. Ziel sei es, geldpolitischen Maßnahmen zur Euro-Rettung wieder zu Durchschlagskraft zu verhelfen, sagte der Italiener. "In den nächsten Wochen werden wir angemessene Modalitäten für solche Maßnahmen entwickeln", sagte er.

Renditen nahe sieben Prozent gelten als Schmerzgrenze. Blieben sie auf diesem Niveau, müssten bald auch Spanien und Italien unter die Rettungsschirme schlüpfen. Dies würde die übrigen Staaten überfordern: Ein Land wie Italien, drittgrößte Volkswirtschaft im Euro-Raum, ließe sich nicht über längere Zeit über Wasser halten.

Widerstand kam im EZB-Rat von Bundesbankpräsident Jens Weidmann, der offenbar als Einziger im 23-köpfigen Rat gegen neue Anleihekäufe votierte. "Es ist bekannt, dass Bundesbankpräsident Jens Weidmann Vorbehalte gegen derartige Maßnahmen hat", so Draghi.

Die Finanzmärkte reagierten enttäuscht. Draghis Aussagen wurden als zu vage kritisiert. Der Italiener hatte hohe Erwartungen geschürt, weil er vergangene Woche erklärt hatte, die EZB werde alles Notwendige zur Euro-Rettung tun. Draghi bekräftigte auch gestern, der Erhalt des Euro stehe außer Frage.

Volkswirte von Banken hatten aber auch Verständnis. "Es verwundert mich nicht, wie es gekommen ist, nämlich dass Draghi nicht Staatsanleihekäufe der EZB als solche angekündigt hat", sagte Kristian Tödtmann von der Dekabank. Seine Lesart: Die EZB will die Politik nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Indem die EZB mit Anleihekäufen abwartet und sie nur zusammen mit den Rettungsfonds plant, zwingt sie Länder wie Spanien, einen Hilfsantrag bei den Fonds zu stellen. Dieser kann Hilfen an neue Reform-Bedingungen knüpfen, die EZB allein könnte dies nicht. "Das passt zu allem, was Draghi vorher gesagt hat. Konditionalität war ihm immer wichtig", sagte Tödtmann.

Die Bundesregierung reagierte erleichtert. "Ich stimme mit EZB-Präsident Mario Draghi völlig überein, dass zur Beruhigung der Anleihemärkte eine entschlossene Konsolidierungs- und Reformpolitik auf nationaler Ebene absolute Priorität genießt und unverzichtbar ist", sagte Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP). FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte der "Rhein-Zeitung": "Grundsätzlich ist es nicht die Aufgabe der Zentralbank, Staatsfinanzierung zu betreiben." SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier erklärte: "Der Weg in die Haftungsunion wird ungebremst fortgesetzt, und zwar ohne demokratische Kontrolle und ohne klar definierte Auflagen für die Empfängerländer."

(mar)
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