Das "German Wunder" Exporte knacken Billionenmarke

Berlin · Deutsche Unternehmen verkauften 2011 Waren im Gegenwert von mehr als 1000 Milliarden Euro ins Ausland – trotz Schuldenkrise in Europa. Ökonomen glauben an die Fortsetzung des neuen deutschen Wirtschaftswunders.

Deutsche Unternehmen verkauften 2011 Waren im Gegenwert von mehr als 1000 Milliarden Euro ins Ausland — trotz Schuldenkrise in Europa. Ökonomen glauben an die Fortsetzung des neuen deutschen Wirtschaftswunders.

Noch nie hat die deutsche Exportwirtschaft innerhalb eines Jahres im Ausland so viel abgesetzt wie 2011: Die Exportumsätze knackten erstmals die Marke von einer Billion Euro, teilte das Statistische Bundesamt mit. Die Unternehmen profitierten von der starken Nachfrage in Schwellenländern wie China, Indien oder Brasilien. Außerhalb der Europäischen Union waren Produkte "Made in Germany" besonders gefragt, die Ausfuhr in europäische Länder nahm weniger stark zu. Insgesamt stiegen die Exporte 2011 um 11,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 1060 Milliarden Euro.

Trotz der seit zwei Jahren schwelenden Schuldenkrise im Euro-Raum konnten die Unternehmen ihren Auslandsabsatz auf hohem Niveau halten — vor allem, weil sie konsequent auf Wachstumsmärkte außerhalb Europas setzten. Die ungelöste Euro-Krise, der rigide Sparkurs in vielen Ländern und die Sorge um die Stabilität im Euro-Raum, wo immerhin noch 40 Prozent der deutschen Produkte verkauft werden, trüben die gute Stimmung kaum: Wirtschaftsverbände und Ökonomen glauben nur noch an eine Wachstumsdelle zum Jahreswechsel, nicht mehr an eine Rezession. "Das deutsche Wirtschaftswunder geht weiter", ist etwa Andreas Scheuerle, Deutschland-Experte bei der Dekabank, überzeugt.

Deutschland ist einer der Wachstumsmotoren nicht nur für Europa, sondern auch für den Rest der Welt. Nach dem tiefen Einbruch infolge der Finanzkrise 2009 kam die deutsche Wirtschaft eindrucksvoll zurück: 2010 wuchs sie um 3,7, im vergangenen Jahr erneut um 3,0 Prozent. Zuerst waren es wie schon in den Jahrzehnten zuvor die starken Exporte, die das Comeback trugen.

Doch im vergangenen Jahr kam mehr und mehr ein zweites Standbein hinzu: Dank eines "fantastischen Arbeitsmarktes" hätten die Deutschen die Angst vorm Geldausgeben verloren, sagt Scheurle. Die Binnennachfrage sei angesprungen, seit 2011 trage sie mehr zum Wachstum bei als der Export.

Die Ursachen des "German Wunders", wie es britische Medien nennen, liegen denn auch im In- und Ausland gleichermaßen: Einerseits gelang es, die deutsche Position auf den Weltmärkten auszubauen, andererseits, Beschäftigung und Inlandsnachfrage zu steigern.

Die Lohnzurückhaltung der Gewerkschaften in der ersten Dekade des Jahrtausends verbesserte die preisliche Wettbewerbsfähigkeit im Ausland: Deutsche Spitzenprodukte sind für Kunden in aller Welt immer noch zu erträglichen Preisen zu haben. Auch setzte die Industrie auf die Wachstumsregionen der Schwellenländer und auf hochspezialisierte Industrieprodukte, die jeder braucht. Deutsche Firmen liefern nicht nur hochmoderne Maschinen, Autos oder Kraftwerke, sie bieten dazu auch ein Bündel produktbezogener Dienstleistungen — von der Planung, Aufstellung, Wartung bis hin zur Finanzierung.

Im Inland sorgten vor allem die rot-grünen Arbeitsmarktreformen für den Abbau von Erwerbslosigkeit im Aufschwung. "Wir erleben ein Jobwunder, und das geht vor allem auf die Reformagenda 2010 der rot-grünen Regierung zurück", sagt Dekabank-Volkswirt Scheuerle. Nach den Hartz-Reformen sei der Arbeitsmarkt flexibler geworden, Unternehmen hätten die Scheu vor Einstellungen verloren, viele Arbeitskräfte seien aktiviert worden.

Aktuelle konjunkturelle Frühindikatoren aus den USA und Deutschland signalisieren, dass der Aufschwung zwar schwächer wird, doch lange noch nicht am Ende ist: "Wir erwarten keine Rezession", sagt Scheuerle. "Das sah vor ein paar Wochen noch anders aus."

(RP)
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