Essen Karstadt-Chefin geht nach 133 Tagen

Essen · Der Rückzug der früheren Ikea-Managerin nach nur viereinhalb Monaten zeigt: Spitzenmanager beim Warenhaus-Konzern brauchen eine hohe Leidensfähigkeit. Und die Einsicht, dass man auf Eigentümer Berggruen nicht zählen kann.

Der Abgang von Eva-Lotta Sjöstedt bei Karstadt kam überraschend schnell. Was die bisherige Spitzenmanagerin gestern als Begründung für ihren Rückzug nach nur viereinhalb Monaten im Amt anführte, war eindeutig: Sie sei auch deshalb nach Essen gekommen, "weil mir der Eigentümer der Karstadt Warenhaus GmbH, die Berggruen Holdings, die volle Unterstützung für meine Strategie und meine Investitionspläne für die 83 Warenhäuser zugesagt hat. Nach eingehender Prüfung, den Erfahrungen der letzten Monate und in genauer Kenntnis der wirtschaftlichen Rahmendaten muss ich nun jedoch feststellen, dass die Voraussetzungen für den von mir angestrebten Weg nicht mehr gegeben sind."

Aus und vorbei - nach gerade einmal 133 Tagen im Amt. Aus den Worten der früheren Ikea-Managerin, deren Wechsel nach Essen ohnehin viele überrascht hatte, ist vieles herauszulesen. Enttäuschung über Nicolas Berggruen, Verbitterung, Resignation. Dabei war Eva-Lotta Sjöstedt im Februar als große Hoffnungsträgerin angetreten. Sie genoss das Vertrauen der Belegschaft, sie inspizierte die Märkte, sie setzte sich in einzelnen Filialen selbst an die Kasse. Sie schnitt den Rabattdschungel klein, damit endlich wieder mehr Marge ins Karstadt-Geschäft kommt.

Doch am Ende hat auch das nicht funktioniert, weil die Kunden ausgeblieben sind. Karstadt bleibt ein Unternehmen mit schrumpfenden Umsätzen und tiefroten Zahlen. Und es wiederholt sich zum x-ten Mal die Erkenntnis, dass es dringend Investitionen von Eigentümern braucht, um Karstadt vor dem Untergang zu bewahren. Dass Nicolas Berggruen dazu nicht bereit war und ist, hat er mehr oder minder offen kommuniziert, und schon Sjöstedts Vorgänger Andrew Jennings musste damit leben. Fazit: Wer bei Karstadt das vermeintliche Sagen hat, braucht eine extreme Leidensfähigkeit. Oder er ist eh nur gekommen, weil er das Ganze abwickeln will. Oder er hat keinen besseren Job. Alle Varianten bieten nicht gerade Idealvoraussetzungen für die Bewältigung dieser schwierigen Mission.

Wann ein Nachfolger kommen soll, steht noch nicht fest. Von Karstadt gibt es über den Zeithorizont auch keine Auskunft. Einstweilen heißen die Karstadt-Chefs Kai-Uwe Weitz, in Personalunion Arbeitsdirektor, und Miguel Müllenbach, der Finanzchef des Unternehmens. Deren Aufgabe hat gestern Aufsichtsratschef Stephan Fanderl umrissen: "Unser Ziel ist es jetzt, mit dem erfahrenen Management die Sanierung von Karstadt entschlossen und unverzüglich anzugehen." Der Abgang Sjöstedts komme "überraschend und in sehr schwierigen Zeiten für die Karstadt Warenhaus GmbH." Dem lässt sich nicht widersprechen. Dass die Sanierung jetzt "entschlossen und unverzüglich angegangen" werden soll, ist indes zumindest von der Wortwahl her unglücklich, weil diese den Schluss zulässt, dass jeder bisherige Versuch, dem Warenhaus-Geschäft des Konzerns neues Leben einzuhauchen, offenbar nur halbherzig betrieben worden ist.

Das Geschäft funktioniert sichtbar nur bei den Sporthäusern und teilweise auch in den drei Premium-Häusern in Berlin (KaDeWe), Hamburg (Alsterhaus) und München (Oberpollinger), die Berggruen im vergangenen Jahr zu rund 75 Prozent an die österreichische Signa-Holding des Investors Rene Benko verkauft hat. Die Immobilie selbst in Hamburg hat Signa vergangene Woche für geschätzt 110 Millionen Euro an die Ärzteversorgung Berlin verkauft.

Insofern sieht Benko offensichtlich keinen Grund, sich zu der Personalie Sjöstedt zu äußern. Doch der Unmut richtet sich gegen Berggruen und den Österreicher. "Was die Beschäftigten von Karstadt nun dringender denn je brauchen, ist Klarheit und Transparenz darüber, wie es weitergehen soll. Investitionen sind dringend nötig, um Karstadt zukunftssicher zu machen. Die Eigentümer, vor allem Herr Berggruen, aber auch Herr Benko, müssen endlich ihre Pläne für die Zukunft von Karstadt auf den Tisch legen", erklärte Stefanie Nutzenberger, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Verdi.

Betriebsratschef Hellmut Patzelt setzte noch eine Forderung obendrauf: "Wir verlangen im Namen der Beschäftigten, vom Unternehmen umgehend über die genauen Hintergründe des Rücktritts informiert zu werden. Die rund 17 000 Beschäftigten haben einen berechtigen Anspruch auf diese Information, schließlich geht es ja hier um die Sicherung ihrer Arbeitsplätze. Sie haben über Jahre einen erheblichen finanziellen Beitrag zur Sicherung des Unternehmens geleistet." Das ist schon mehr als einmal gesagt worden. Und jedes Mal verpufft.

(RP)
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