Essen Die neue Spitzenfrau bei Karstadt

Essen · Die Ikea-Managerin Eva-Lotta Sjöstedt wird Chefin beim Essener Warenhauskonzern. Der Wechsel an der Spitze beantwortet indes nicht die Zukunftsfragen. Es bleiben Spekulationen um Zerschlagung, Verkäufe und Personalabbau.

Ob Eva-Lotta Sjöstedt jemals zuvor in Essen war, ist nicht überliefert. Heute jedenfalls soll die 47 Jahre alte Schwedin an die Ruhr kommen. Es ist sozusagen ihr Antrittsbesuch in der Firmenzentrale des Warenhauskonzerns Karstadt. Dessen Aufsichtsrat hat die Managerin erwartungsgemäß zur neuen Chefin gemacht. Das Kontrollgremium habe sie zur Nachfolgerin des zum Jahresende scheidenden Konzernchefs Andrew Jennings berufen, teilte Karstadt mit. Sjöstedt soll ihr Amt am 24. Februar 2014 antreten. Bis dahin werde Arbeitsdirektor Kai Uwe Weitz (gestern bis 2016 im Amt bestätigt) die Geschäftsführung "in enger Abstimmung" mit Karstadt-Aufsichtsratschef Stephan Fanderl koordinieren.

Frau Sjöstedt ist nur Handelskennern ein Begriff. Sie kommt von Ikea, hat dort in den vergangenen zehn Jahren mehrere Führungsjobs (Multi-Channel-Managerin, Landeschefin in Japan und den Niederlanden) inne gehabt, gilt als umtriebig und zahlenorientiert. Zudem teilt Karstadt mit, Sjöstedt habe ihre Karriere als Modedesignerin und Fashion-Einkäuferin "für verschiedene Einzelhändler mit mehrjähriger Erfahrung in Asien" gestartet.

Das kann zumindest nicht schaden in der Welt eines Karstadt-Konzerns, der stark auf das Bekleidungsgeschäft getrimmt worden ist, aber immer noch auf den großen Umschwung wartet. "Wir müssen Karstadt schnell profitabel machen", sagt die neue Chefin, und das tut sie vermutlich im Wissen um die Erwartungshaltung der Eigentümer — der österreichischen Immobilienholding Signa, seit September im Besitz von 75,1 Prozent der Nobelkauf- und der Sporthäuser, und des Deutsch-Amerikaners Nicolas Berggruen, der stets darauf pochte, dass Karstadt das Geld für nötige Investitionen selbst verdienen müsse.

Die Fragen nach der Zukunft von Karstadt beantwortet der Personalwechsel an der Vorstandsspitze nicht. Zwar hat Sjöstedt anders als ihr südafrikanischer Vorgänger Jennings die Zusage, dass 300 Millionen Euro an Investment in die Modernisierung von Karstadt fließen sollen. Aber wie viel wohin fließt, hat der Konzern noch nicht verlauten lassen. Die Stimmen derer, die glauben, der Weg würde in eine Fusion mit dem Branchenkonkurrenten Kaufhof münden, wollen nicht verstummen. Das wäre sicherlich im Sinne von Signa-Miteigentümer René Benko, der schon vor zwei Jahren den Einstieg beim Kaufhof versuchte, aber letztlich scheiterte. In Handelskreisen heißt es immer wieder, dass die Tür nicht zugeschlagen sei. Und genau deshalb, so glauben manche in der Branche, sei Eva-Lotta Sjöstedt geholt worden — als Managerin, die Karstadt in die große Warenhaus-Fusion führen solle.

So eine Vision dürfte die Mitarbeiter indes genauso schrecken wie manche Erfahrung der Vergangenheit. Denn eine Fusion würde wohl weitere Jobverluste bedeuten — nach Jahren mit Sparrunden, Lohnverzicht und dem Abbau von 2000 Stellen in der Ära Jennings. Da ist Motivation ein wesentlicher Faktor für erfolgreiche Arbeit. Das Unternehmen brauche "diejenigen, die bisher schon so unglaublich viel geleistet haben: die Karstadt-Mitarbeiter", erklärte Sjöstedt gestern und ergänzte: "Ich selbst kenne die Arbeit sowohl in kleinen als auch in großen Unternehmen und weiß aus Erfahrung, wie wichtig es ist, dass jeder Mitarbeiter die Möglichkeit hat, sein eigenes Potenzial voll auszuschöpfen." So viel Lob war selten.

Noch ringen der Konzern und die Gewerkschaft Verdi um die Modalitäten, unter denen Karstadt in die Tarifbindung zurückkehren könnte. Zuletzt hieß es, die Gespräche seien auf gutem Weg, und die Verhandlungen sollten im Januar fortgesetzt werden. Beide Seiten seien zuversichtlich, dass dann Regelungen zur Tarifbindung und Tarifpause sowie zur Standort- und Beschäftigungssicherung geschaffen würden, hatte Karstadt mitgeteilt. Alles andere würde nur neuen Frust auslösen.

(RP)
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