Essen Die 100-Tage-Bilanz der Karstadt-Chefin

Essen · Eva-Lotta Sjöstedt hat interne Kritiker überzeugt. Aber kann sie den Konzern auf Dauer erhalten?

"Eva Lotta wer?"Als zu Jahresbeginn der Name der künftigen Karstadt-Chefin Eva-Lotta Sjöstedt bekannt wurde, zuckten viele ratlos mit den Schultern. Die 47-jährige Mutter dreier Kinder hatte eine Karriere bei Ikea hinter sich, aber selbst in der Handelsbranche kennen viele eher die kultigen Billy-Regale als die Namen von Mitgliedern des Managements im schwedischen Weltkonzern.

Eva-Lotta Sjöstedt war eine Unbekannte in Deutschland. Aber sie hat sich offenbar bei Karstadt schnell eingefunden. "Sie hat das Vertrauen der Mitarbeiter, und das ist wichtig in schwierigen Zeiten", hat Betriebsratschef Hellmut Patzelt über die Spitzenmanagerin gesagt. Das ist ein Beleg dafür, dass zumindest das Klima beim seit Jahren krisengeschüttelten Warenhauskonzern ein besseres ist als unter Sjöstedts Vorgänger Andrew Jennings. Der, so hieß es häufig, spreche kaum deutsch, und der Kontakt zur Belegschaft sei kaum vorhanden. Das war bei Sjöstedt von Anfang an anders. Dass sie sich schon vor ihrer Inthronisierung an eine Ladenkasse setzte, dass sie das regelmäßige Gespräch mit der Belegschaft suchte und sich die einzelnen Karstadt-Häuser intensiv anschaute, zeugte von Begeisterung und Professionalität.

Ob es am Ende reicht, um Karstadt zu retten, wird in Handelskreisen indes weiterhin bezweifelt. Für das Geschäftsjahr 2012/2013 standen in der Erfolgsrechnung immer noch tiefrote Zahlen. Rund 158 Millionen Euro betrug das Minus für den Zeitraum zwischen Oktober 2012 und September 2013. An durchgreifende Besserung in naher Zukunft mögen viele nicht glauben. Laut "Handelsblatt" fiel der Umsatz in den Warenhäusern in den ersten sechs Monaten des laufenden Geschäftsjahres um weitere vier Prozent. Der Verlust für das erste Halbjahr sei nur geringfügig auf 34 Millionen Euro gesunken, heißt es. Dass unter Eva-Lotta Sjöstedt die Zahl der Rabattaktionen verringert worden sei, habe zwar den Erlös bei einzelnen Produkten gesteigert, aber gleichzeitig mehr Regalhüter bei Karstadt produziert.

Nun kann man natürlich argumentieren, dass allles seine Zeit braucht und Sjöstedt zwar sanieren kann, aber eben keine Wunderheilerin ist und der Umbau von Karstadt Zeit braucht. Zeit ist indes das Gut, was der Konzern am wenigsten hat. Stattdessen hat er zwei Eigentümer wie Renè Benko und Nicolas Berggruen, die offenbar vor allem am Geschäft mit den Karstadt-Immobilien und an möglichst rascher Rendite interessiert sind. Nach wie vor halten sich die Spekulationen um die Schließung weiterer Karstadt-Häuser und über einen vielleicht doch noch denkbaren Zusammenschluss mit dem deutschen Rivalen Galeria Kaufhof. Und der Streit mit Verdi über eine Rückkehr in die Tarifbindung ist auch noch nicht gelöst. Ideale Arbeitsbedingungen für eine Konzernchefin sehen anders aus.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort