Brüssel Europas Haushalt wird im "Beichtstuhl" verhandelt

Brüssel · Die EU ist in Budgetfragen gespalten. Die Zahler wollen kürzen, die Empfänger ihre Subventionen aufrechterhalten.

Den EU-Staats- und Regierungschefs steht beim heute beginnenden Gipfel eine Herkulesaufgabe bevor. Sie wollen sich auf den Brüsseler Haushaltsrahmen für die Jahre 2014 bis 2020 einigen. Doch die Fronten zwischen Zahler- und Empfängerstaaten sind so verhärtet, dass ein Scheitern gut möglich ist. Kommissionschef José Manuel Barroso hat gestern im Europaparlament deutlich gemacht, dass er Kürzungen an seinem Vorschlag von bis zu 1091 Milliarden Euro für die Siebenjahresperiode nicht akzeptieren will. Der Budgetrahmen sei ein "Schlüsseltest für unsere Glaubwürdigkeit", so Barroso.

Auch die Abgeordneten fordern mehr Geld für Brüssel. EU-Ratspräsident Herman van Rompuy beharrt jedoch auf "realen Einschnitten". Schließlich müssten sich die nationalen Sparzwänge durch die Krise auch bei der EU niederschlagen. Der Belgier hat den Hauptstädten einen Kompromissentwurf geschickt, der ein Haushaltsvolumen von maximal 1010 Milliarden Euro für 2014 bis 2020 vorsieht. Die Nettozahler wollen mehr kürzen – allen voran Großbritannien. Die Empfängerländer in Ost- und Südeuropa stehen hingegen auf Barrosos Seite, denn sie wollen ihre Milliarden-Subventionen für Bauern und Regionen sichern, wenn nicht mehren.

Van Rompuy und Barroso nehmen heute alle 27 EU-Chefs einzeln ins Gebet. "Beichtstuhl" heißt dieses Verfahren im EU-Jargon. Die Kanzlerin ist um 19 Uhr dran. Das Treffen beginnt offiziell um 20.30 Uhr. Dann will van Rompuy einen neuen Kompromissentwurf vorlegen. Morgen früh könnte bereits klar sein, ob das Treffen scheitert oder bis ins Wochenende um einen Kompromiss gekämpft wird.

Ob am Ende überhaupt ein Beschluss steht, ist offen. Großbritannien droht mit einem Veto, Frankreich und Italien wollen keine Abstriche bei den Agrarsubventionen hinnehmen, Lettland kündigte ein "Nein" an, sollten die Subventionen für die Regionen gekürzt werden. Ein Beschluss müsste einstimmig fallen. Andererseits wäre ein zweiter Anlauf in einigen Monaten kein Drama. Denn der jetzige Budgetrahmen läuft bis Ende 2013. Gelingt bis dahin keine Einigung, würde die Finanzplanung auf dem bisherigen Niveau jahresweise weitergeführt.

(ing)
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