Ein Gastbeitrag von Viviane Reding und Silvana Koch-Mehrin "Europa braucht mehr Führungs-Frauen"

Brüssel · Am heutigen MIttwoch entscheidet das Europäische Parlament über die von der EU-Kommission geplante Frauenquote für Aufsichtsräte. Das alternde Europa braucht die Quote. Wir müssen uns die Vielfalt der Talente zunutze machen.

Frauenquote in Chefetagen - So weit hinkt Deutschland hinterher
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Frauenquote in Chefetagen - So weit hinkt Deutschland hinterher

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Foto: dpa

Im Laufe der Jahre hat die EU eine Vorreiterrolle bei der Gleichstellung der Geschlechter eingenommen. Vom Grundsatz des gleichen Entgelts für gleiche Tätigkeit bis zu den Rechten am Arbeitsplatz — wir können stolz auf die Fortschritte sein, die Europa in den vergangenen Jahrzehnten erzielt hat. 60 Prozent der Universitätsabsolventen in der EU sind Frauen. Der Anteil der Frauen in der Arbeitswelt ist von 55 Prozent im Jahre 1997 auf 62 Prozent gestiegen.

Trotz allem gibt es in der Unternehmenswelt für Frauen eine gläserne Decke, die sie daran hindert, in die höchsten Führungspositionen zu gelangen. Auch heute noch werden Aufsichtsräte von einem Geschlecht dominiert. 83,4 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder und 97 Prozent der Vorstandsvorsitzenden sind Männer, während auf Frauen nur 16,6 Prozent bzw. drei Prozent dieser Positionen entfallen. In Deutschland haben Frauen 20,5 Prozent der Aufsichtsratsposten inne. Dieser Anteil liegt über dem EU-Durchschnitt.

Trotz einiger freiwilliger Maßnahmen auf nationaler und europäischer Ebene hat sich die Situation in den vergangenen Jahren nicht wesentlich verändert. Spürbare Fortschritte sind die Ausnahme, nicht die Regel. Echte Erfolge gibt es nur in Ländern, in denen gesetzliche Quoten eingeführt wurden. Beim derzeitigen Tempo würde es weitere 40 Jahre dauern, ein nur annähernd ausgeglichenes Verhältnis zwischen Frauen und Männern — das heißt mindestens 40 Prozent beider Geschlechter — in den Chefetagen zu erreichen.

Zielvorgabe 40 Prozent

Es sind unsere Volkswirtschaften, die unter dieser Situation leiden. Die Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsplatz ist kein Frauenthema, sondern eine unternehmerische und wirtschaftliche Notwendigkeit. In diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten, in denen wir alle vor den Herausforderungen einer alternden Bevölkerung, sinkender Geburtenraten und mangelnder Qualifikationen stehen, ist es wichtiger denn je, dass wir uns die Vielfalt menschlicher Talente und Fähigkeiten zunutze machen — unabhängig vom Geschlecht.

Aus diesem Grund wollen die Europäische Kommission und das Europäische Parlament erneut Vorreiter sein, wenn es darum geht, den Fortschritt in Europa zu beschleunigen. Vor einem Jahr hat die Kommission eine neue europäische 40-Prozent-Regelung vorgeschlagen. Diese Zielvorgabe gilt für nicht-geschäftsführende Aufsichtsratsmitglieder börsennotierter Konzerne in Europa. Sie ist das richtige Signal für die Führungsspitzen der Unternehmen.

Kern des Vorschlags ist ein transparenter Auswahlprozess, damit bis 2020 anhand eindeutiger Kriterien und eines Vergleichs der Fähigkeiten und Qualifikationen der Bewerber ein Anteil von 40 Prozent des unterrepräsentierten Geschlechts erreicht wird. Die Grundlage hierfür bildet ein einfaches Konzept: Keine Frau erhält einen Arbeitsplatz, nur weil sie eine Frau ist. Gleichzeitig wird keiner Frau ein Arbeitsplatz verweigert, nur weil sie eine Frau ist. Dies ist ein fairer Deal sowohl für die Unternehmen als auch für die Frauen, die das gleiche Recht auf eine Karriere haben wie Männer.

Starkes Signal für Gleichstellung

Heute dürfte der Kommissionsvorschlag die eindeutige Unterstützung durch das Europäische Parlament erhalten, die direkt gewählte Volksvertretung der EU. Es ist ein starkes Signal für die Gleichstellung der Geschlechter in Europa, wenn das Parlament ebenfalls nachdrücklich für eindeutige Vorschriften zur Beseitigung der geschlechtsspezifischen Unausgewogenheiten in den Aufsichtsräten eintritt. Dem gemeinsamen Engagement von Kommission und Parlament ist es zu verdanken, dass diese neuen Vorschriften auf den Weg gebracht werden.

Die Fachminister der Mitgliedstaaten müssen nun im Rat Taten folgen lassen. Sie müssen Farbe bekennen. Werden sie die Position der direkt von den europäischen Bürgern gewählten Mitglieder des Europäischen Parlaments unterstützen, um die Gleichstellung von Frauen und Männern in Europa voranzubringen? Oder machen sie unter dem Vorwand einen Rückzieher, dass die Gleichstellung auf nationaler Ebene geregelt werden soll?

Die Zeit ist reif für eine Entscheidung.

(RP)
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