Erstmals seit 20 Jahren Euro fällt klar unter Wert des Dollars

Frankfurt · Nach Monaten im Abwärtstrend ging es für die Gemeinschaftswährung Europas zuletzt noch schneller bergab. Nun ist der US-Dollar mehr wert als der Euro. Warum ist das so, wer profitiert davon und wer leidet besonders?

 Am Dienstag lagen Dollar und Euro erstmals gleichauf.

Am Dienstag lagen Dollar und Euro erstmals gleichauf.

Foto: AP/Michael Probst

Der Euro steht an den Finanzmärkten weiter unter Druck. Am Donnerstag fiel die Gemeinschaftswährung bis auf 0,9952 Dollar und damit klar unter Parität zur US-Währung. Am Vortag war der Kurs nur knapp und kurzzeitig unter das Tauschverhältnis eins zu eins gefallen. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0005 (Mittwoch: 1,0067) Dollar fest. Der Dollar kostete damit 0,9995 (0,9933) Euro.

Mit dem erneuten Fall unter die Paritätsgrenze notiert der Euro so schwach wie seit fast 20 Jahren nicht mehr. Als wesentliche Gründe gelten die Gefahr einer Energiekrise in Europa und der zögerliche Kampf der EZB gegen die hohe Inflation. „Derzeit scheint nahezu alles gegen den Euro zu sprechen“, kommentierte Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. „Der Euro verliert, und die Inflationsprobleme werden dadurch noch größer.“

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Damit spielt Gitzel auf den Zusammenhang von Wechselkurs und Energiekosten an. Denn Rohstoffrechnungen werden international üblicherweise in US-Dollar beglichen. Sinkt der Eurokurs, steigt im Gegenzug der Dollar - was den Energieeinkauf verteuert und die ohnehin hohe Inflation steigen lässt. Verbraucher und Unternehmen müssen also noch tiefer in die Tasche greifen, der Inflationskampf der EZB wird noch schwieriger.

Zu anderen wichtigen Währungen legte die EZB die Referenzkurse für einen Euro auf 0,84560 (0,84371) britische Pfund, 139,04 (138,02) japanische Yen und 0,9841 (0,9829) Schweizer Franken fest. Die Feinunze Gold wurde am Nachmittag in London mit 1705 Dollar gehandelt. Das waren etwa 30 Dollar weniger als am Vortag.

Warum ist das so?

Fachleute erklären die Euro-Schwäche vor allem zwei Entwicklungen. Zum einen geht derzeit die Furcht vor einem wirtschaftlichen Absturz um. „Die Rezessionsängste in Europa verschärfen sich“, kommentieren Analysten der Commerzbank. Die Experten der Dekabank pflichten bei: „Konjunkturangst greift um sich.“ Dafür gibt es einige Gründe, vor allem aber hat der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine die hohe Abhängigkeit Europas von russischen Gaslieferungen drastisch vor Augen geführt. Russland hat seine Lieferungen bereits stark reduziert. Sollten sie ganz ausbleiben, könnte dies eine tiefe wirtschaftliche Rezession auslösen. Es gibt einen zweiten wichtigen Grund für die ausgeprägte Euro-Schwäche, nämlich die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB).

Welche Rolle spielt die Europäische Zentralbank?

Viele andere Notenbanken, allen voran die mächtige US-Notenbank Federal Reserve, haben den Kampf gegen die hohe Inflation bereits aufgenommen und ihre Leitzinsen meist deutlich angehoben. Die EZB stellt allerdings eine der wenigen Ausnahmen dar, sie hat sich bisher nur zu einer Ankündigung durchgerungen. Im Juli sollen die Leitzinsen im Euroraum erstmals seit elf Jahren steigen - allerdings nur um 0,25 Prozentpunkte. Das ist im Vergleich zu anderen Zentralbanken wenig.

(jmb/chal/dpa)
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