Einfuhrverbot für Spitzenunterwäsche Russland droht die Rückkehr der Schlabber-Unterhose

Moskau · Verbraucher sind entsetzt: Wenn es nach den Wettbewerbshütern der Eurasischen Union geht, ist synthetische Spitzenunterwäsche in Russland, Weißrussland und Kasachstan bald wieder tabu. Vor allem Frauen fordern "Freiheit für die Unterhose" - und wurden festgenommen.

 Zwei Frauen halten bei einer Protestaktion in Kasachstan gegen das geplante Handelsverbot synthetischer Wäsche Unterhosen empor.

Zwei Frauen halten bei einer Protestaktion in Kasachstan gegen das geplante Handelsverbot synthetischer Wäsche Unterhosen empor.

Foto: ap

Ein Einfuhrverbot für Spitzenunterwäsche bringt derzeit vor allem die Frauen in Russland und seinen Nachbarländern auf die Palme. Unterwäsche, die weniger als sechs Prozent Baumwolle enthält, soll bald nicht mehr nach Russland, Weißrussland und Kasachstan importiert werden. Auch die Herstellung und der Handel mit solcher Ware ist dann verboten.

Ein schwerer Rückschlag für die Menschen, die sich nach der schlabbrigen Sowjet-Ära-Unterwäsche an Weltmarken wie La Perla oder Victoria's Secret gewöhnt haben.

Der Zorn treibt die Frauen auf die Straße - und die riskieren damit wie am vergangenen Wochenende in Kasachstan sogar ihre Freiheit. Etwa 30 weibliche Demonstrantinnen hatten dort demonstriert, sich dabei Spitzenunterwäsche über den Kopf gezogen und skandiert: "Freiheit für die Unterhose!" Die Polizei griff ein, nahm die Unterwäsche-Aktivistinnen vorübergehend fest.

"Freiheit für die Unterhose!"

Das Verbot in den drei Ländern wurde bereits im Jahr 2010 von der Eurasischen Wirtschaftskommission konzipiert und soll zum 1. Juli dieses Jahres in Kraft treten. Doch der Aufschrei bei den Konsumenten ist schon jetzt enorm. Auf Facebook und Twitter kursieren verschiedene kuriose Gegenüberstellungen von Bildern sexy-moderner Unterwäsche und eher mäßig erotischer Sowjet-Ware. Und die Menschen machen ihrem Ärger wie in Kasachstan bei Demonstrationen Luft.

"Spitzenunterwäsche wird quasi per Gesetz aus den Regalen geräumt", sagt Alisa Sapardijewa, Geschäftsführerin des Moskauer DD-Shops, während sie über ihr farbenfrohes Warenangebot streift.
"Wenn man das wieder wegnimmt, wird der Käufer der sein, der am meisten darunter leidet."

Nach Zahlen des russischen Textilgewerkschaft wird jedes Jahr in Russland Unterwäsche im Wert von mehr als vier Milliarden Dollar (rund drei Milliarden Euro) verkauft. 80 Prozent der Ware stammt aus dem Ausland. Sollte das Verbot wie geplant im Sommer umgesetzt werden, würden bis zu 90 Prozent der Produkte aus den Läden verschwinden, schätzen Experten.

Zeichen fehlgeleiteter Wirtschaftspolitik

Die Eurasische Wirtschaftskommission wollte sich zu Wochenbeginn nicht äußern, wie sie mit den Verbraucherprotesten umgeht. Man plane jedoch eine ausführliche Stellungnahme, hieß es. Ein zumindest partielles Einlenken scheint nicht ausgeschlossen.

Viele sehen den bizarren Streit um die Unterhosen ohnehin nur als weiteres Beispiel einer fehlgeleiteten Wirtschaftspolitik, die in vielen post-sowjetischen Ländern zu so etwas wie einem Markenzeichen geworden ist. In Kasachstan etwa hatten am Samstag - einen Tag vor der Unterhosen-Demo - deutlich mehr Menschen gegen die Abwertung der Landeswährung Tenge um 19 Prozent protestiert.

Andere empfinden den Schlüpfer-Bann als lächerliche Aktion einer antik anmutenden Bürokratie in den drei Ländern, um die Märkte zu regulieren und zu kontrollieren.

Der 22 Jahre alte Muscowite Trifon Gadschikasimow glaubt, dass die jungen Mädchen weiter eine Möglichkeit finden werden, synthetische Unterwäsche zu tragen - egal ob man sie in Russland kaufen kann oder nicht. Eine Menge seiner Freunde reise regelmäßig ins Ausland. "Ich denke, das alles ist nur ein weiteres dummes Gesetz, das die Ineffektivität unserer Regierung zeigt", sagt er.

(ap)
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